Skip to main content
Robert Hettlage / Ludgera Vogt (Hrsg.)

Identitäten in der modernen Welt

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2000; 439 S.; brosch., 68,- DM; ISBN 3-531-13217-2
Wenn Sozialwissenschaftler sich an Zeitdiagnosen machen, also mit Methoden und Konzepten ihres Faches lebensweltlich verbreitete Orientierungsprobleme "behandeln" - im Doppelsinn von diagnostischen und therapeutischem Absichten - dann müssen sie mit skeptischen Einwänden der Disziplin rechnen. Das gilt zumal, wenn - wie in diesem Band - mit Identitätssuche und Individualisierung ein Thema aufgegriffen wird, das schon ausgiebig journalistisch aufbereitet worden ist. Auf die systematisch eng begrenzten Möglichkeiten soziologischer Orientierungsfunktion weist ausdrücklich der Schlussbeitrag von Weiß hin (425 ff.). Allerdings erliegt keiner der Beiträge des Hauptteils der Versuchung, Identität - gewissermaßen einem naiven Verständnis von Post-Moderne folgend - "individualistisch" zu begreifen. Dafür ist Identitätsarbeit heute einerseits viel zu sehr eingebunden in Distinktionszwänge, die gesellschaftlich weitreichende Entsolidarisierungsvorgänge spiegeln - darauf gehen an unterschiedlichen Aspekten Vogt, Prisching, Nullmeier, Winkler ein. Andererseits sind - bei aller unbezweifelbaren Pluralisierung von Identitätsformen - die Identitätsangebote in hohem Maße auch standardisiert, zumal Medien hier als Identitätsgeneratoren wirken (129 ff.). Als dritte Dimension schließlich wird - an Beispielen der Freizeitsphäre - die Milieu- bzw. Situationsabhängigkeit von Identitätskonstruktionen analysiert (349 ff.). Inhalt: Einleitung: Robert Hettlage: Identitäten im Umbruch. Selbstvergewisserungen auf alten und neuen Bühnen (9-51). A. Identität in der Gegenwartsgesellschaft: Theoretische Perspektiven: Peter Gross: Außer Kontrolle?! Individualisierung, Pluralisierung und Entscheidung (55-76); Ludgera Vogt: Identität und Kapital. Über den Zusammenhang von Identitätsoptionen und sozialer Ungleichheit (77-100); Elmar J. Koenen: Nach der "Identität" (101-126). B. Medien als Identitätsgeneratoren: Jo Reichertz: Das Fernsehen (und die Werbung) als neue Mittel zur Fest-Stellung von Identität (129-153); Andreas Dörner: Politische Identität in Unterhaltungsöffentlichkeiten. Zur Transformation des Politischen in der medialen Erlebnisgesellschaft (155-180); Manfred Faßler: Künstliche Umwelten und Identität (181-198). C. Institutionen und Akteure I: Religion, Familie, Partnerschaft: Hubert Knoblauch: "Jeder sich selbst sein Gott in der Welt". Subjektivierung, Spiritualität und der Markt der Religion (201-216); Michael Meuser: Entgrenzte Geschlechterverhältnisse? Enttraditionalisierung und habituelle Rahmen (217-238); Peter Loos: Autonomie und Heteronomie. Milieuspezifische Partnerschaftsvorstellungen (239-250). D. Institutionen und Akteure II: Wirtschaft, Kultur, Politik: Eckart Pankoke: Anstifter und Grenzgänger auf dem Markt der Kultur (253-273); Elmar Wiesendahl: Identitätsauflösung. Anschlusssuche der Großparteien an die postindustrielle Gesellschaft (275-295). E. Wohlfahrtskultur, Bedürfnisexpansion und Entsolidarisierung: Manfred Prisching: Versorgungsmentalität und Risikoerfahrung in der Wohlfahrtsgesellschaft (299-312); Joachim Winkler: Askese bei Aldi? Zur Logik von Distinktion und Askese in der Gegenwartsgesellschaft (313-326); Frank Nullmeier: Entsolidarisierungsprozesse und der Triumph der Mikromoralen (327-346). F. Freizeitwelten: Heinz-Günter Vester: Freizeit: das wahre Leben? (349-360); Ronald Hitzler / Michaela Pfadenhauer: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst! (Erwerbs-)Probleme junger Leute heute und die anderen Welten von Jugendlichen (361-380). G. Entgrenzung und Reterritorialisierung: Christian Giordano: Zur Regionalisierung der Identitäten und der Konflikte. Die Rückkehr des Nationalstaates und die Versuchung der "territorialen Ethnizität" in Mittel- und Osteuropa (383-407); Hermann Schwengel: Ansätze europäischer Identität im Global Age. Eine Skizze (409-423). Schluss: Johannes Weiß: Die Soziologie als Gegenwartswissenschaft. Probleme und Potentiale (425-433).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Robert Hettlage / Ludgera Vogt (Hrsg.): Identitäten in der modernen Welt Wiesbaden: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11439-identitaeten-in-der-modernen-welt_13571, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13571 Rezension drucken