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Iulia Dondorici (Hrsg.)

Rumänien heute

Wien: Passagen Verlag 2011 (Passagen Europa-Südost); 237 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-85165-945-0
„Was wussten wir 1989 – ein jeder von uns – was wir jetzt nicht mehr wissen?“ (23) Diese Frage von Vintilă Mihăilescu, Professor für Kulturanthropologie in Bukarest, kann als Leitmotiv dieses Bandes gelesen werden. In den Beiträgen geht es angesichts des Zustandes der rumänischen Transformation um einstmalige Absichten und die enttäuschten Hoffnungen in der Gegenwart. Ebenso wenig wie Mihăilescu stellen die anderen Autoren zwar grundsätzlich infrage, dass 1989 in Rumänien eine Revolution stattgefunden hat. Aber die Vorstellung, man müsse nur „den Weg zurück beschreiten von den abseitigen Wegen der kommunistischen Kollektivierung und Industrialisierung, bis hin zur Kreuzung, an der man wieder auf die kapitalistische Autobahn auffahren kann“ (29), sei geschwunden. Schaue man auf die vergangenen zwanzig Jahre zurück, scheine es überhaupt keine Schnellstraße gegeben zu haben. Es zeigt sich zudem, dass das radikale Abstreifen der Vergangenheit in Form eines expliziten Antikommunismus eine neue Positionierung des Landes erschwert hat. Die kommunistische Vergangenheit werde nur vereinfacht wahrgenommen, kritisiert der Publizist Ciprian Şiulea, und der Kommunismus selbst in einem offiziell von der Regierung angenommenen Bericht als metaphysisch Böses erklärt. Damit habe sich das gesamte Land in einen Opferdiskurs begeben, was eine Versöhnung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen behindere. Die politische Kultur schließe damit an die rechte bzw. rechtsextreme Politik der Vorkriegszeit an, was Şiulea ausdrücklich kritisiert. Der erste Teil des Bandes über Postkommunismus und Transformation wird vervollständigt durch einen Beitrag über den Elitenwandel. Raluca Grosescu stellt fest, dass dieser zwar stattgefunden hat, einzelne Mitglieder der ehemaligen kommunistischen Eliten aber dennoch weiter großen Einfluss ausüben konnten. Nach dieser erhellenden Bestandsaufnahme werden der schwierige Umgang mit dem rumänischen Holocaust und seine Leugnung thematisiert, ferner unter anderem die Stellung von Minderheiten sowie in einem weiteren Kapitel der – positive – Einfluss der EU auf das Land. In zwei weiteren Abschnitten werden neue Entwicklungen in Film, Theater, Literatur und Kunst reflektiert sowie in persönlichen Texten an die Revolution erinnert. Insgesamt wird in diesem Band ein lebendiger Einblick in das gesellschaftliche und kulturelle Leben in einem Land vermittelt, das erst auf dem Weg ist, seine eigene Transformation zu definieren.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 | 2.2 | 3.7 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Iulia Dondorici (Hrsg.): Rumänien heute Wien: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32656-rumaenien-heute_38979, veröffentlicht am 17.05.2011. Buch-Nr.: 38979 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken