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Ljiljana Radonic

Krieg um die Erinnerung. Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2010 (Campus Forschung 949); 422 S.; 43,- €; ISBN 978-3-593-39303-2
Diss. Wien; Gutacher: D. Segert, Gutachterin: H. Uhl. – Im Mittelpunkt der Arbeit über den Umgang mit der Vergangenheit in Kroatien nach dem Zerfall Jugoslawiens und dem Wahlsieg Franjo Tuđmans im Jahr 1990 stehen zwei historische Sachverhalte, um deren Deutung insbesondere in den 90er-Jahren heftig gestritten wurde: Erstens die Ideologie der nationalistischen Ustascha-Bewegung und das von ihr betriebene Vernichtungslager Jasenovac sowie zweitens die von Soldaten der Jugoslawischen Volksbefreiung an Kroaten verübten Massaker bei Bleiburg. Ergänzend wird der Prozess gegen den ehemaligen Kommandanten des KZ Jasenovac, Dinko Šakić, in die Untersuchung einbezogen. Die Autorin unternimmt eine Diskursanalyse der Berichterstattung der staatlichen Zeitung „Vjesnik“ und des unabhängigen „Novi list“ über die umstrittenen Gedächtnisorte. Sie fragt nach den geschichtspolitischen Kontinuitäten und Brüchen entlang der politischen Wenden von 1990 (autoritäres Regime unter Tuđman und seiner Partei HDZ), 2000 (sozialdemokratische Regierung) und 2003 (erneuter Wahlsieg einer „sich als reformiert und europaorientiert darstellenden“ [19] HDZ). Damit stellt sie ihre Analyse in den weiteren Kontext über den Zusammenhang von Demokratisierung und Vergangenheitspolitik. Radonic kommt u. a. zu dem Ergebnis, „dass die diskursiven Brüche mit den politischen Wenden Hand in Hand gehen und die Debatten über den Zweiten Weltkrieg rund um 1990 und 2000 im Zentrum der politischen Umbruchstimmung standen“ (394). Nach der Abwahl der HDZ im Jahr 2000 hätten sich die Diskursregeln schlagartig gewandelt und die Dämonisierung der Serben sei Debatten über die Manipulation der Vergangenheit in Jugoslawien und in den Neunzigern gewichen. Darüber hinaus ordnet die Autorin die Befunde in den Forschungskontext der Europäisierung des Holocaust ein. „Kroatien bewegt sich trotz der zahlreichen Probleme bei der Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges, des kommunistischen Jugoslawiens und der Kriege der neunziger Jahre,“ schreibt Radonic, „unzweifelhaft in Richtung der ‚europäischen Erinnerungsgemeinschaft’, einschließlich aller damit einhergehenden Vor- und Nachteile“ (399).
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 | 2.25 | 4.41 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Ljiljana Radonic: Krieg um die Erinnerung. Frankfurt a. M./New York: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33043-krieg-um-die-erinnerung_39470, veröffentlicht am 25.01.2011. Buch-Nr.: 39470 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken