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Pun Ngai / Ching Kwan Lee / u. a.

Aufbruch der zweiten Generation. Wanderarbeit, Gender und Klassenzusammensetzung in China. Übersetzung, Bearbeitung und Herausgabe: Ralf Ruckus, Frido Wenten und Daniel Fuchs

Berlin/Hamburg: Assoziation A 2010; 294 S.; 18,- €; ISBN 978-3-935936-93-4
Von Freiheit und beruflicher Selbstbestimmung können Millionen von Wanderarbeitern nur träumen. Zwar wird ihre Arbeitskraft dringend für den Hochhausbau in den Metropolen oder in den exportierenden Industriebetrieben benötigt. Auch ist es schon dreißig Jahre her, dass die KP Chinas begann, die Planwirtschaft in die sogenannte sozialistische Marktwirtschaft umzuwandeln und mit der Auflösung der Volkskommunen einen Teil der ländlichen Bevölkerung auf den Arbeitsmarkt zu entlassen. Aber selbst noch die zweite Generation der Wanderarbeiter lebt in ungesicherten rechtlichen Verhältnissen, wird oft unter Mindestlohn bezahlt oder ganz um den Lohn geprellt und ist in den Fabriken häufig einem strengen Regime unterworfen, das sogar die Kontrolle der wenigen freien Zeit umfasst. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes, die in der Volksrepublik, in Hongkong und in den USA lehren, beschreiben den Alltag der Wanderarbeiter eindringlich an konkreten Beispielen und erörtern dabei gleichzeitig übergeordnete Aspekte. Die Durchsetzung des disziplinierenden Fabrikregimes erläutert Zhang Lu mittels der dualen Belegschaften (Festangestellte und Leiharbeiter) in der Automobilindustrie. Mit Blick auf die Elektroindustrie wird erklärt, welche Rolle Geschlechterverhältnisse und soziale Netzwerke, die über einen gemeinsamen Heimatort entstanden sind, in der Einstellungspolitik von Unternehmen spielen. Am Beispiel der selbstständigen Lastenträger in Chongqing diskutiert Zhang Xia den Ziyou-/Freiheitsbegriff vor dem Hintergrund eines Neoliberalismus, der im Sinne Foucaults als Fortsetzung der Regierung in einem neuen Gewand verstanden wird. Für Hausangestellte zeigt sich, dass die Reformen sie abhängiger statt freier gemacht haben. Bemerkenswert ist auch der Beitrag von Zheng Tiantian, die in einer Feldstudie die Arbeitsbedingungen von Barhostessen untersucht hat. Insgesamt entsteht das Bild einer Gesellschaft in Bewegung, zumal auch von Arbeitskräftemangel und Streiks berichtet wird. Zu fehlen scheint allerdings, so der Tenor, ein Klassenbewusstsein sowie der (nicht nur spontane) Wille und die Möglichkeit, sich gemeinsam zu artikulieren.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.22 | 2.262 | 2.25 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Pun Ngai / Ching Kwan Lee / u. a.: Aufbruch der zweiten Generation. Berlin/Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33255-aufbruch-der-zweiten-generation_39764, veröffentlicht am 01.03.2011. Buch-Nr.: 39764 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken