Skip to main content
Ulf von Krause

Die Afghanistaneinsätze der Bundeswehr. Politischer Entscheidungsprozess mit Eskalationsdynamik

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen); 376 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-17855-4
Politikwiss. Diss. FernUni Hagen; Begutachtung: G. Simonis. – „Welche Erklärungen gibt es – vor dem Hintergrund der starken Stellung des Deutschen Bundestages (‚Parlamentsarmee’) – für die Eskalationsdynamik der deutschen Einsätze?“ (27), so lautet die übergreifende Fragestellung dieser Dissertation des Generalleutnants a. D. der Bundeswehr. Von Krause war in einer führenden Position mit in die Vorbereitung deutscher Auslandseinsätze eingebunden. Unter Eskalation versteht er in diesem Kontext die Ausweitung der Einsätze. Deutschland sei 2001 in die Afghanistaneinsätze „hineingerutscht“, lautet seine Ausgangsbeobachtung. Als Ursachen hierfür nennt er die Traditionen der Außenpolitik der Bundesrepublik nach 1945, die Solidarität mit den USA sowie die Unterstützung der Vereinten Nationen. Aufgrund der multilateralen Einbindung der deutschen Entscheidungen habe eine enge Verflechtung zwischen nationalen und Bündnisinteressen bestanden, deutsche Interessen und Bündnisinteressen seien gleichgesetzt worden. Die „defizitäre Definition des politischen Zwecks“ (283) benennt Krause als einen weiteren Grund für die Eskalationsdynamik. Erst Ende 2009/Anfang 2010 sei „durch eine realistischere Formulierung des Zwecks der Einsätze versucht [worden], den Primat der Politik wieder herzustellen“ (283). Aufgrund des geschwächten Primats der Politik hätten militärische Aspekte die Entscheidungen zunehmend bestimmt. Trotz der verfassungsrechtlich starken Stellung des Deutschen Bundestages bei militärischen Mandaten habe die Exekutive in der Verfassungswirklichkeit die Afghanistanentscheidungen dominiert, die parlamentarische Kontrolle sei mangelhaft gewesen. Diese Tatsache resultiere aus einer engen Verzahnung zwischen der Bundesregierung und den sie tragenden Bundestagsfraktionen – insbesondere während der Großen Koalition – und einem Informationsvorsprung der Regierung. Aufgrund des anfänglich defizitären öffentlichen Diskurses hätten Parteien, Medien, Verbände sowie Wissenschaft kaum begrenzenden Einfluss auf den Eskalationsprozess ausüben können. Erst als deutlich wurde, dass auch deutsche Soldaten in Afghanistan sterben und töten, habe sich eine Diskrepanz zwischen der Haltung der Bevölkerung und der der Politik beobachten lassen. Für künftige Einsätze der Bundeswehr empfiehlt von Krause einen Diskurs zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu führen, den politischen Zweck und die militärische Zielsetzung genauer zu definieren. Außerdem plädiert er dafür, die Rolle des Bundestages zu stärken, um ihn als Kontrollinstanz der Bundesregierung beim Einsatz der Bundeswehr im Sinne einer Parlamentsarmee effektiver werden zu lassen.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.21 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Ulf von Krause: Die Afghanistaneinsätze der Bundeswehr. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33565-die-afghanistaneinsaetze-der-bundeswehr_40172, veröffentlicht am 01.12.2011. Buch-Nr.: 40172 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken