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Christian Marxsen

Geltung und Macht. Jürgen Habermas' Theorie von Recht, Staat und Demokratie

Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2011; 279 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-7705-5207-8
Christian Marxsen rekonstruiert die Positionen von Jürgen Habermas zu den Themenbereichen Recht, Staat und Demokratie in drei Abschnitten: Im ersten Teil erfolgt eine exakte Rekonstruktion der Gesellschaftstheorie von Adorno und Horkheimer. Marxsen hebt hier vor allem die aus der Dominanz instrumenteller Vernunft resultierenden, zutiefst pessimistisch eingeschätzten Chancen einer gesellschaftlich entstehenden (kommunikativen) Rationalität hervor. Insbesondere die deutlichen und über die Jahre sich radikalisierenden Absetzbewegungen Habermas' hierzu arbeitet er gut heraus. Im folgenden Abschnitt geht es um den Nachweis der affirmativen Rationalität in den Organisationsformen der modernen Welt – oder anders ausgedrückt: um die Suche nach einer von der Apel’schen Transzendentalpragmatik unterschiedene normative Rationalität der Diskursethik. Die unzureichende Normativität des Faktischen im Diskurs wird hierbei offenkundig und letztlich auch von Habermas eingestanden. Es erfolgt somit der Rückgriff auf die Rekonstruktion der im Recht (und im heutigen Sozialstaat) angelegten rationalen Elemente. „Die sich hier eröffnenden Probleme in der Positionierung zwischen Norm und Wirklichkeit sind alt bekannt: das Problem liegt darin, dass auch eine normative Theorie nicht anders kann, als ihre Gehalte durch die Anknüpfung an irgendwas real Vorhandenes zu formulieren, wenn sie nicht einen bloß abstrakten Gegensatz zwischen postulierter Norm und gesellschaftlicher Wirklichkeit eröffnen möchte. Andererseits spricht einiges dafür, dass eine normative Theorie in Widerspruch zur gesellschaftlichen Wirklichkeit formuliert sein muss, wenn ihr normativer Anspruch nicht von der Faktizität gleichsam aufgezehrt werden soll.“ (141) Marxsen weist brillant nach, dass dies auch Habermas nicht gelingt. Sowohl die mit der Gleichursprünglichkeitsthese von Volkssouveränität und Menschenrechten verbundene Neutralität zwischen liberalen und kommunitären Positionen wird von Habermas selbst nicht hinreichend beachtet wie auch die durch soziale Macht eingeschränkten Möglichkeiten der Ausübung kommunikativer Macht erheblich unterschätzt. Das Konzept der deliberativen Demokratie und insbesondere die normative Rekonstruktion des demokratischen Rechts sind auf diesem Wege letztlich nicht leistbar.
Thorsten Schumacher (THS)
M. A. (Politikwissenschaft, Philosophie, Öffentliches Recht), Referent im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Rubrizierung: 5.46 | 5.44 Empfohlene Zitierweise: Thorsten Schumacher, Rezension zu: Christian Marxsen: Geltung und Macht. Paderborn: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34105-geltung-und-macht_40907, veröffentlicht am 08.11.2012. Buch-Nr.: 40907 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken