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Miguel Abensour

Demokratie gegen den Staat. Marx und das machiavellische Moment. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger

Berlin: Suhrkamp 2012; 269 S.; 24,95 €; ISBN 978-3-518-58574-0
Abensours Beitrag zur – laut Buchinformation – rebellierenden oder zur radikalen Demokratietheorie, der im französischen Original bereits 2004 bei Félin vorgelegen hat, gründet auf einer pessimistisch konnotierten Problemstellung, die sich bei Marx so liest: „Das Verhältnis der Industrie, überhaupt des Reichtums, zu der politischen Welt ist ein Hauptproblem der modernen Zeit.“ (93) Die von Abensour angebotene Reflexion über dieses problematische Verhältnis von Markt und Staat, insbesondere über seine demokratische und damit letztlich: politische Beeinflussbarkeit, kann dabei aus zweierlei Perspektive gelesen werden. Zum einen legt Abensour eine detaillierte Interpretation von Marxens Frühschrift „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ (1843) vor. Neben dieser Werkinterpretation – und von ihr auch kaum zu trennen – entwirft er seine Vorstellung der „wahren Demokratie“, insofern diese das „Wesen der Politik“ (133) ausmache. Die Politik der Moderne im Ausgang von Machiavelli erweist sich dabei als eine radikal immanente Angelegenheit menschlichen Handelns, die nicht nur in ihren Motiven, sondern auch in ihren Begründungs- und Erscheinungsformen notwendig heteronom verfasst ist. Angesichts des „Dispositivs Machiavelli-Marx“ (61), also der heuristischen Nähe des marxistischen Materialismus zur radikalen Immanenz machiavellistischer Politik, entwirft Abensour eine Vorstellung davon, was die „wahre Demokratie“ (123) konkret ausmachen könne. Insgesamt gründe diese nämlich auf vier Merkmalen: Erstens ist hier das Volk als Souverän der wirkliche Staat. Zweitens stellt eine etwaige Verfassung den Menschen gegenüber eine „Reduktion“ (134) dar, insofern die Menschen über die Verfassung entscheiden, über sie verfügen. Drittens erscheint Demokratie als die „Selbstkonstituierung des Volkes“ (144), die, weil sie etwa im Unterschied zur Monarchie mit dem Volk identisch ist, niemals eine staatlich verobjektivierte Entfremdung sein kann. Und viertens schließlich versteht sie immer den Staat als den Teil, hingegen den Demos als Ganzes. Wahre Demokratie – hier als menschliche und damit: als politische Grundqualität – gegen den Staat bedeutet dann letztlich nichts anderes, als den zugespitzt formulierten Hinweis darauf, dass die Demokratie nicht notwendigerweise auf den Staat angewiesen ist, sondern sich auch andere Politik- und Praxisformen schaffen kann, die der Beibehaltung größtmöglicher Freiheit in kollektiven Entscheidungszusammenhängen mindestens ebenso gut dienen können.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.41 | 5.33 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Miguel Abensour: Demokratie gegen den Staat. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35165-demokratie-gegen-den-staat_42338, veröffentlicht am 21.06.2012. Buch-Nr.: 42338 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken