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Sven Leunig / Hendrik Träger (Hrsg.)

Parteipolitik und Landesinteressen. Der deutsche Bundesrat 1949-2009

Berlin: Lit 2012 (Landespolitik 4); 395 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-643-11270-5
Die Frage, inwieweit die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung des Bundes durch parteipolitische oder landesspezifische Interessen geprägt wird, beschäftigt die deutsche Politikwissenschaft schon lange. Dies rührt nicht zuletzt daher, dass dem Bundesrat immer wieder eine Blockadehaltung vorgeworfen worden ist – insbesondere bei einer gegenläufigen Mehrheit im Bundestag. Die Schwierigkeit, zwischen Parteipolitik und Landesinteressen trennscharf zu unterscheiden, löst auch der Band von Leunig und Träger nicht vollends auf. Dazu trägt auch ein Gutteil die verwendete Terminologie bei – wie die Autoren selbst einräumen, wenn z. B. parteipolitisch-strategisch motivierte Konflikte unter den Oberbegriff der „Sachkonflikte“ (20) subsumiert werden. Zu fragen wäre doch, ob nicht auch Landesinteressen strategisch motiviert sein können. Einen wirklich wertvollen Beitrag leistet der Band mit seiner methodischen Herangehensweise: Im historischen Längsschnitt werden sieben Phasen in der Arbeit des Bundesrates bis 2009 identifiziert, die auf Grundlage eines einheitlichen Analyserasters in qualitativen Fallstudien exemplarisch untersucht werden. In diesem Kontext rufen die Autoren durch die reichhaltige Fallauswahl an untersuchten Gesetzgebungsprozessen längst vergessene Konflikte des deutschen Bundesstaates wieder ins Gedächtnis. Die übergeordnete Forschungsfrage für alle Teilabschnitte der Analyse lautet dabei: „Inwiefern verdrängen parteipolitische Interessen im Rahmen der Bundesgesetzgebung die Interessen der Länder?“ (24) Dabei konzentrieren sich die Autoren auf „Schlüsselentscheidungen“ (28) der jeweiligen Phase. Besonders interessant sind vor allem die Analysen zur Frühphase des Bundesrates. So könnten für die ersten Jahre der jungen Bundesrepublik „keine wahlkampfstrategischen Motive für die Nutzung des Bundesrates“ (73) konstatiert werden. Und dies, obwohl „fast alle Landesregierungen […] damals sehr heterogen zusammengesetzt“ (74) gewesen seien – ein Umstand, der auch heute wieder relevant sei. Als Gesamtergebnis halten Leunig und Träger fest, dass „parteipolitische Sachkonflikte tatsächlich ausschließlich in Phasen divergierender Mehrheiten […] die Auseinandersetzungen zwischen Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung maßgeblich bestimmen“ (303). Ob es zu einer Verdrängung von Landesinteressen durch parteipolitische Interessen kommt, beantworten die Autoren differenziert. Zwar stellen sie in vielen Fällen eine Überlagerung fest, der Ausgang von Gesetzgebungsprozessen hänge allerdings ganz entscheidend von der jeweiligen Problemstruktur sowie den entsprechenden (parteipolitischen) Konfliktlinien ab.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.321 | 2.325 | 2.331 | 2.313 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Sven Leunig / Hendrik Träger (Hrsg.): Parteipolitik und Landesinteressen. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35419-parteipolitik-und-landesinteressen_42695, veröffentlicht am 03.01.2013. Buch-Nr.: 42695 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken