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Ksenija Petrović

Nationale Identität und Religion in Serbien und Kroatien im Vergleich

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2012 (Forschungen zu Südosteuropa 5); 331 S.; brosch., 72,- €; ISBN 978-3-447-06799-7
Diss. Jena; Begutachtung: G. Schubert. – Inwieweit spielen die katholische Kirche in Kroatien und die serbisch‑orthodoxe Kirche in Serbien eine Rolle für die nationale Identität im jeweiligen Land? Zur Beantwortung dieser zentralen Frage stellt Ksenija Petrović zum einen zentrale Prozesse und Akteure ab dem Jahr 1990 dar, die in Serbien und Kroatien in den Diskurs über nationale Identität eingebunden waren. Zum anderen untersucht sie mithilfe von quantitativen Daten und 20 selbst durchgeführten Interviews, wie dieser Diskurs der Eliten in der Bevölkerung aufgenommen wurde und gewirkt hat. Die Autorin zeichnet zunächst nach, wie in beiden Staaten das nationale Prinzip mit dem Ziel einer nationalen Homogenisierung Oberhand über demokratische Prinzipien erlangte, wobei die extremen Situationen der Kriege förderlich gewesen seien. In diesem Prozess taten sich vor allem die katholische Kirche in Kroatien und die serbisch‑orthodoxe Kirche in Serbien hervor. Sie betonten über ihre Verlautbarungen in der Öffentlichkeit die nationale Identität, wodurch sich im Zusammenspiel mit der politischen, intellektuellen und medialen Elite ein allgegenwärtiger nationalistischer und nationalreligiöser Diskurs herausgebildet habe. Bei der Konstruktion dieser neuen nationalen Identität stellt Petrović drei Mechanismen fest, derer sich die Kirchen bedienten. Erstens wurde eine unerschütterliche Verbindung zwischen der Nation und der jeweiligen Konfession hergestellt. Zweitens wurde eine neue Nationalgeschichte erfunden, die eine jahrhundertelange Existenz der eigenen Nation inklusive der Verbindung mit der jeweiligen Kirche behauptete. Und zuletzt seien neue Feindbilder sowohl im Inneren wie auch im Äußeren beider Staaten konstruiert worden. Der Elitendiskurs bewirkte, dass sowohl die kroatische als auch die serbische Bevölkerung mit der Zeit diese nationale Identität mit den zugehörigen Exklusionsmechanismen annahm. Petrović deckt zudem eine große Diskrepanz zwischen dem Anspruch der beiden Kirchen, Vertreter des Volkes zu sein, und der Realität auf: Die befragten Personen distanzierten sich mehrheitlich von der Institution Kirche, maßen Religion jedoch weiterhin Bedeutung zu. Daher kritisiert die Autorin abschließend nicht nur die problematische Rolle der Kirchen bei der Konstruktion der nationalen Identität, sondern auch den Widerspruch hinsichtlich der Bedeutung, die die Kirchen auf der öffentlich‑kollektiven Ebene des Staates und auf der privat‑individuellen Ebene der Gläubigen einnehmen.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Ksenija Petrović: Nationale Identität und Religion in Serbien und Kroatien im Vergleich Wiesbaden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35934-nationale-identitaet-und-religion-in-serbien-und-kroatien-im-vergleich_43670, veröffentlicht am 14.07.2013. Buch-Nr.: 43670 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken