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Christian Chavagneux

Kleine Geschichte der Finanzkrisen. Spekulation und Crash von 1637 bis heute. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Zürich: Rotpunktverlag 2013; 270 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-85869-537-6
„Die finanzielle Instabilität ist neben der Klimaerwärmung und der wachsenden sozialen Ungleichheit das dritte Übel des heutigen Kapitalismus.“ (9) An diese Feststellung knüpft Christian Chavagneux, Chefredakteur der Zeitschrift L’Économie politique, die politische Aufgabe, Finanzkrisen mit geeigneten Maßnahmen zu bekämpfen und die Gefahr ihrer neuerlichen Entstehung zu minieren. Als Basis einer solchen künftigen Politik – und daran, „dass die Finanzmarktregulierung ein politischer, kein technischer Akt ist“ (117), lässt er keinen Zweifel – benennt Chavagneux auf der Grundlage einer ausführlichen Literaturrecherche über ausgewählte Finanzkrisen in Europa und den USA seit dem 17. Jahrhundert deren wiederkehrende Merkmale. Denn trotz der Verschiedenheit der Krisen wird deutlich, dass zu Beginn immer unkontrollierte Finanzinnovationen stehen – „Schönwetter‑Innovationen“ (126), an die mit der Aussicht auf möglichst viel Profit geglaubt wird. Diese Finanzinnovationen, die nicht selten von Bilanztricks begleitet sind oder sogar auf einem Schneeballsystem aufbauen, und die sie begleitenden psychologischen Abläufe greifen mit gesellschaftlichen, politischen und ideologischen Kräften ineinander, so der Autor, und werden nicht selten mit illegalen Methoden angereichert. Als Nebeneffekte dieser unregulierten Profitgier werden eine Kreditblase, schlechtes Risikomanagement und um sich greifender Betrug aufgeführt. Die gegenwärtige Politik der EU‑Staaten zur Bewältigung der aktuellen Krise – sie weigerten sich, die notleidenden Staaten durch einen teilweisen Schuldenerlass zu entlasten und die EZB zur Kontrolle der Zinsentwicklung deutlich intervenieren zu lassen; sie verordneten einzig und allein eine gesetzliche Sparpolitik – hält Chavagneux für einen Fehler. Er erinnert an die erfolgreiche Politik des US‑Präsidenten Roosevelt nach der Krise von 1929 und folgert, dass eine Krisenlösung, die nur schrittweise erfolgen kann, auf den Faktoren Stabilität, Rentabilität und billige Kredite – die als stabiles Dreieck zueinander stehen sollten – basieren muss. Von grundsätzlicher Bedeutung ist außerdem die Einlagensicherung. Vor allem aber gilt: „Es gibt [..] keinen anderen Weg als eine wirksame staatliche Reglementierung.“ (246) Da es aber nach Ansicht von Chavagneux ungewiss ist, ob die staatlichen Regulierer den Finanzsektor tatsächlich kontrollieren wollen und können, setzt er darauf, dass sich die Zivilgesellschaft als Gegengewicht zur Finanzlobby formiert. Beispielhaft verweist er auf die Gründung der ersten entsprechenden EU‑weiten Nichtregierungsorganisation Finance Watch.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.43 | 2.1 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Christian Chavagneux: Kleine Geschichte der Finanzkrisen. Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36175-kleine-geschichte-der-finanzkrisen_44218, veröffentlicht am 12.09.2013. Buch-Nr.: 44218 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken