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Michael Reder / Hanna Pfeifer / Mara-Daria Cojocaru (Hrsg.)

Was hält Gesellschaften zusammen? Der gefährdete Umgang mit Pluralität

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2013 (Globale Solidarität - Schritte zu einer neuen Weltkultur 23); 138 S.; kart., 26,90 €; ISBN 978-3-17-022964-8
Aus systemtheoretischer Sicht ist ihre funktionale Differenzierung das Merkmal der modernen Gesellschaft schlechthin. Konkret sind aber die Fragen nach zulässiger, wünschbarer Pluralität und der gleichzeitigen Aufrechterhaltung sozialen Zusammenhalts in einer globalisierten Welt politisch spürbar. Die Beiträge, die die Thematik jedoch nicht auf diese politische Sicht verengen, bieten ein breites, interdisziplinär ausgreifendes Spektrum von Perspektiven – angefangen von soziologisch orientierten Begriffsbestimmungen und Gegenwartsdiagnosen, wie sie Armin Nassehi in seinem Beitrag formuliert, über Aleida Assmanns historisch‑kulturelle Überlegungen zu einer europäischen Erinnerungskultur bis hin zu Wert‑ und Normvorstellungen im interkulturellen Dialog, wie sie von Andreas Trampota thematisiert werden. Nassehi weist etwa auf den Umstand hin, dass Fragen gesellschaftlicher Vielfalt als Ex‑ und Inklusionsfragen häufig im Zusammenhang mit Krisen‑ oder Konfliktszenarien kombiniert wahrgenommen werden – etwa wenn eine zunehmende Kriminalität mit Überfremdung assoziiert wird. Eine solche Sicht jedoch, so warnt Nassehi, verstelle die Möglichkeit einer liberalen Gesellschaft, in der Vielheit tatsächlich lebbar zu sein: „Eine liberale Gesellschaft lebt vom bürgerlichen Privileg, in Ruhe gelassen werden zu können. Nur hier kann es gelingen, die Fremdheit der anderen nicht als bedrohlich zu empfinden.“ (44) Damit trifft er auch die Einschätzung, die die Herausgeber in ihrem einleitenden Beitrag formulieren – individuelle Selbstbestimmung, so ist da zu lesen, stehe mit der Vorstellung gesellschaftlichen Zusammenhalts stets in einem Spannungsfeld. Integration und Pluralität, so lautet dann der Umkehrschluss, erweisen sich als permanente Aufgaben von Gesellschaftlichkeit schlechthin – das Demokratische (wie Demokratie als Ort des politischen Streits in Anknüpfung an die Terminologie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe dann zutreffender zu bezeichnen wäre) wird so zum permanenten Motor und zur permanenten Institution ihrer Ermöglichung. Die Beiträge des Bandes gehen zurück auf das gleichnamige Symposion, das im Juni 2012 an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München stattgefunden hat.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Michael Reder / Hanna Pfeifer / Mara-Daria Cojocaru (Hrsg.): Was hält Gesellschaften zusammen? Stuttgart: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36229-was-haelt-gesellschaften-zusammen_44274, veröffentlicht am 26.09.2013. Buch-Nr.: 44274 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken