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Swantje Naunin

Sterben auf Niederländisch? Niederländische "euthanasie" als Gegenstand der Debatte in Deutschland und den Niederlanden

Berlin: Lit 2012 (Münsteraner Bioethik-Studien 10); 243 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-643-10915-6
Diss. Münster. – Die Tötung schwerkranker Menschen auf Verlangen wurde im Jahr 2002 in den Niederlanden legalisiert, nachdem sie von Ärzten bereits längere Zeit praktiziert und vom Staat geduldet worden war. Die Niederlande zählen damit zu den wenigen Ländern, in denen der Bitte schwerkranker Menschen um ein tödliches Medikament nachgekommen werden darf. Swantje Naunin fragt, warum ein solcher Schritt in unserem Nachbarland möglich ist und in Deutschland hingegen nicht. Auch hierzulande gebe es eine Debatte über die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. Doch in Deutschland werde die Tötung schwerkranker Menschen auf Verlangen von vielen „in Verbindung gebracht mit der Tötung kranker und behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten“ (9). Eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe sei daher in der Bundesrepublik zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Die Autorin skizziert die Debatte über diese Frage in beiden Ländern. Dabei berücksichtigt sie die Aussagen des Historikers James Kennedy und des Bioethikers Bert Gordijn. Während Letzterer die Neigung zu einer Duldungspolitik, zur bewussten Tolerierung bestimmter Grauzonen als zentrales Merkmal beschreibt, verweist Kennedy auf das Bedürfnis der Niederländer, nichts zu tabuisieren und jedes Thema offen anzusprechen. Beide Experten argumentieren historisch, was Naunin in einem mit „Die Geschichte der ‚euthnasie‘ in den Niederlanden“ (32) überschriebenen Kapitel darlegt. Vor dem Hintergrund dieser Thesen beschäftigt sie sich vergleichend mit zwischen den Jahren 1996 und 2004 erschienenen Artikeln zum Thema Sterbehilfe in ausgewählten Printmedien beider Länder: Frankfurter Allgemeine Zeitung und Trouw einerseits sowie Deutsches Ärzteblatt und Medisch Contact (als Presseorgane der Ärzteschaften) andererseits. Die Autorin gelangt zu folgenden Ergebnissen: Da die Enttabuisierung der aktiven Sterbehilfe in den niederländischen Medien überwiegend als Errungenschaft dargestellt werde, stützten die betrachteten Artikel die These Kennedys, „ein zentrales Motiv für die Akzeptanz der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden sei der Wunsch nach ‚bespreekbaarheid‘, d. h. nach der Möglichkeit zum offenen Gespräch“. In den deutschen Medien werde diese „Enttabuisierung nicht als Wert an sich anerkannt. Die Vorzüge der offenen Debatte werden negiert“ (212). Naunin vermutet, dass ein erneutes Verbot der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden zu einer heimlichen Tötung führen würde. In ihrer Befürwortung der aktiven Sterbehilfe gingen viele Niederländer über die bloße Duldung hinaus.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.1 | 2.22 | 2.61 | 2.333 | 2.23 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Swantje Naunin: Sterben auf Niederländisch? Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36478-sterben-auf-niederlaendisch_44346, veröffentlicht am 05.12.2013. Buch-Nr.: 44346 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken