Skip to main content
Philipp Altmann

Die Indigenenbewegung in Ecuador. Diskurs und Dekolonialität

Bielefeld: transcript Verlag 2014; 348 S.; 49,99 €; ISBN 978-3-8376-2570-7
Diss. FU Berlin; Begutachtung: S. Costa. – In der verfassungsgebenden Versammlung Ecuadors kam es 2007/08 zu einem Konflikt, weil über die multiethnische Zusammensetzung des Landes kein einheitliches Verständnis herrschte: Setzten sich Teile der Indigenenbewegung unter Führung der CONAIE (Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors) und die Partei MUPP‑NP (Bewegung der Plurinationalen Einheit Pachakutik) für den Begriff der Plurinationalität ein, plädierten die Indigenenorganisation FENOCIN (Nationale Föderation der Bauern‑, Indigenen‑ und Schwarzenorganisationen) sowie die Sozialistische und die Regierungspartei für den Begriff der Interkulturalität. Der Konflikt der zwei Lager wurde vorerst dadurch beigelegt, dass beide Begriffe ohne weitere Erläuterung Eingang in den Verfassungstext fanden. Nichtsdestotrotz verbinden sich mit den Begriffen konkrete Forderungen der Indigenen, aber auch ein dahinterstehendes komplexes, gesamtgesellschaftlich gedachtes Projekt. Philipp Altmann zeichnet die Entwicklung der Begriffe Plurinationalität und Interkulturalität nach und fragt, „ob sie als dekoloniale und dekolonialisierende Begriffe im Sinne der Quijanos zu verstehen sind“ (8). Hierfür rekonstruiert Altmann zunächst die Geschichte Ecuadors, wie sie sich aus Sicht der Indigenenbewegung darstellt. Daran anschließend untersucht er die begriffliche Genese mithilfe einer – von ihm so genannten – begriffszentrierten Diskursanalyse (Verbindung von Kosellecks Begriffsgeschichte und Foucaults Diskurstheorie). Hier arbeitet er unter anderem heraus, dass sich bis Mitte der 1980er‑Jahre ein relativ stabiler Diskurs um die eindeutig definierten Begriffe der indigenen Nationalität, Territorialität und Plurinationalität (Anerkennung der indigenen Kulturen) etabliert hat und ab 1987 durch ein genau definiertes politisches Programm ausgestaltet wurde. Diesem hegemonialen Diskurs setzte die bis dahin zerrüttete FENOCIN 1995 die weniger klaren Begriffe der Interkulturalität und der territorialen Umgrenzungen entgegen. Außerdem kommt 2003 der Begriff des Guten Lebens auf, der zu einer politischen und diskursiven Verschiebung innerhalb der CONAIE führte. Abschließend untersucht Altmann die Wahrnehmung der ecuadorianischen Lebenswirklichkeit als kolonial oder kolonialisierend und stellt fest, dass die Indigenenbewegung als eine dekoloniale Bewegung zu verstehen ist und sich daher die Inhalte ihrer Forderungen gegen diese Kolonialität richten.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.652.22 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Philipp Altmann: Die Indigenenbewegung in Ecuador. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37426-die-indigenenbewegung-in-ecuador_45366, veröffentlicht am 21.08.2014. Buch-Nr.: 45366 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken