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Michael Scheithauer

Reformorientierte Gesellschaftsinitiativen. Ideen- und Stichwortgeber für den politischen Diskurs?

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Politica. Passauer Studien zur Politikwissenschaft 9); 398 S.; brosch., 74,- €; ISBN 978-3-8487-0967-0
Diss. Passau; Begutachtung: H. Oberreuter, U. Kranenpohl. – Das Anliegen, nach dem Einfluss der drei Think Tanks „Konvent für Deutschland“, „Stiftung Marktwirtschaft“ und „Denkwerk Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung“ auf politische Reformdiskurse und ‑prozesse in der Bundesrepublik fragen zu wollen, ist eigentlich verdienstvoll. Allerdings wird Michael Scheithauer die eigene Tätigkeit für den „Konvent für Deutschland“ zum Verhängnis, denn immer wieder wird deutlich, dass er keinen hinreichenden Abstand zu seinem Untersuchungsobjekt wahrt. Auch in handwerklicher Hinsicht weist diese Dissertation Defizite auf. So ist bereits die Fragestellung problematisch, denn Scheithauer will messen, wie „erfolgreich“ diese sind und „welche Funktion“ sie „im Prozess der politischen Willensbildung“ (26) erfüllen. Auf die Entwicklung eines umfassenden theoretischen Rahmens wurde leider verzichtet – lediglich verweist Scheithauer auf elitentheoretische Ansätze. Auch wurde kein entsprechender Kriterienkatalog für die empirische Analyse der drei Fallbeispiele entwickelt. Dies ist bedauerlich, da es sich bei den Initiativen um sehr spezielle – weil durchweg dem konservativen Parteienspektrum nahestehende – Eliten handelt. Insofern wäre auch der von Scheithauer vermeintlich „wertneutrale Begriff“ der „reformorientierten Gesellschaftsinitiative“ (25) kritisch zu hinterfragen. Fast ist man sogar geneigt, einen Auswahlbias zu konstatieren, auch wenn Scheithauer seine Analyse als „Most Different Cases‑Design“ (35) konzipiert. Die Darstellungen zur Entstehung, Struktur, Zielsetzung und Arbeitsweise der Initiativen zeichnen sich durch eine ermüdende Aneinanderreihung von Zitaten der involvierten Akteure aus – eine kritische Auseinandersetzung mit den Aussagen vermisst man leider. Besonders problematisch ist der zweite Abschnitt, in dem Scheithauer die „Defizite politischer Willensbildung‑ und Reformprozesse in Deutschland“ (44) thematisiert. Darin stützt er sich fast ausnahmslos auf Einschätzungen der von ihm untersuchten Institutionen, die – wie kaum anders zu erwarten – einen großen Reformbedarf beziehungsweise die Notwendigkeit zur „Reform der Reformfähigkeit“ (94) diagnostizieren. Die Literaturbasis der Arbeit ist insgesamt sehr schmal, kontrastierende Bezüge zu einschlägigen Autoren der Föderalismus‑ und Demografieforschung werden so gut wie nicht hergestellt. Am Ende kann Scheithauer dann auch nur einräumen, dass ein „konkreter Einfluss von reformorientierten Gesellschaftsinitiativen auf den Prozess der politischen Willensbildung aufgrund fehlender Bewertungsschemata und Messinstrumente nur unzureichend nachgewiesen werden kann“ (364).
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.3312.3322.325 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Michael Scheithauer: Reformorientierte Gesellschaftsinitiativen. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37431-reformorientierte-gesellschaftsinitiativen_45582, veröffentlicht am 21.08.2014. Buch-Nr.: 45582 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken