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Rosi Braidotti

Posthumanismus. Leben jenseits des Menschen. Aus dem Englischen von Thomas Laugstien

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014; 214 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-593-50031-7
Die an der Universität Utrecht lehrende Philosophin Rosi Braidotti ist sicher nicht die erste, die den Humanismus verabschieden will. Die Argumente, die hier gegen das humanistische Einheitssubjekt angeführt werden – es sei männlich, weiß, rational, selbstherrlich und eurozentristisch, gebe diese Perspektive als universal aus und führe so zu einer Abwertung des ‚Anderen‘ – sind aus den Diskussionen postmoderner und feministischer Tradition oder aus den Postcolonial Studies bekannt. Braidotti teilt diese Kritik, will aber nicht in einem Gegensatz von Humanismus und Antihumanismus verharren, in dem sie eine „Sackgasse“ (41) sieht, sondern ihr eigenes Konzept „posthumaner Subjektivität“ (42) als Alternative positionieren, das über jenen Gegensatz in positiver Weise hinausführen soll. Als Grundlage dieser posthumanen Subjektivität, die den Menschen als Maß der Dinge verabschieden soll, ohne in Inhumanität zu verfallen, dient ein „vitalistischer Monismus“ (61). Dieser beruht auf einer neospinozistischen, von Deleuze und Guattari inspirierten, monistischen Ontologie, deren Grundgedanke ist, „dass Materie, einschließlich der menschlichen Verleiblichung, intelligent und selbstorganisierend ist“ (40). Dieser Gedanke, der die traditionellen Dichotomien von Natur und Kultur oder von Innen und Außen unterläuft, soll den Entwurf eines „nomadischen und relationalen Subjekts“ (191) plausibel machen und in eine „traversal‑relationale Ethik“ münden, die „auf einem umfassenden Sinn für die Wechselbeziehung zwischen dem Selbst und den Anderen – einschließlich der nicht‑menschlichen“ (193) beruht. Damit soll zugleich eine „affirmative Politik“ (195) des emanzipativen „Experimentierens“ (193) begründet werden. Obwohl in dem Band auch eine Bandbreite posthumanistischer Ideengeschichte verhandelt wird, ist er nicht als Einführung in dieses Feld zu lesen, sondern in erster Linie als Programmschrift von Braidottis Spielart eines feministischen Neo‑Materialismus zu verstehen, die bisweilen ins Bekenntnishafte abzugleiten droht und ob der schweren Begriffsgeschütze an manchen Stellen auch mühsam zu lesen ist.
Nikolai Münch (NM)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Forschungszentrum Laboratorium Aufklärung, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Nikolai Münch, Rezension zu: Rosi Braidotti: Posthumanismus. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37438-posthumanismus_45782, veröffentlicht am 21.08.2014. Buch-Nr.: 45782 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken