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José Brunner / Doron Avraham / Marianne Zepp (Hrsg.)

Politische Gewalt in Deutschland. Ursprünge – Ausprägungen – Konsequenzen

Göttingen: Wallstein Verlag 2014 (Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 42/2014); 256 S.; brosch., 34,- €; ISBN 978-3-8353-1458-0
In diesem Jahrbuch sind unter der thematischen Klammer der politischen Gewalt recht unterschiedliche Aufsätze versammelt, in denen Phänomene politischer Gewalt und Gewaltdiskurse „in ihrer spezifischen Periode und im konkreten gesellschaftlichen Umfeld“ (7) analysiert werden, wie die Herausgeber_innen einleitend schreiben. Zeitlich wird der Bogen vom 19. Jahrhundert (Militarisierung der Zivilgesellschaft) bis in das späte 20. Jahrhundert geschlagen. In dem in der Chronologie am Ende stehenden Beitrag von Andrew I. Port wird auf die in der Retrospektive oft übersehene „violent underside“ (217) der friedlichen Revolution in der DDR 1989/90 verwiesen. Dass die vom Regime ausgehende Gewalt letztlich nicht eskaliert sei, habe auch am friedlichen Verhalten der Protestbewegung gelegen, die die Legitimation des rücksichtslosen Vorgehens des Staates deutlich erschwert habe. In weiteren Beiträgen geht es um die Weimarer Republik – politische Gewalt sei in dieser Phase prägend und ausufernd gewesen –, um den Nationalsozialismus und die Bundesrepublik. Um auf zwei weitere Beiträge hinzuweisen: So beschäftigt sich etwa Joana Seiffert mit der Roten Ruhrarmee und deren Platz in der nationalsozialistischen Erinnerungskultur. Im Nationalsozialismus sei diese Armee als Verführung der Ruhrarbeiter durch sogenannte volksfremde Elemente, gemeint waren gemäß der Ideologie „die Juden“, konstruiert und propagiert worden: „Indem der Ruhrkampf in der nationalsozialistischen Deutung zu einem […] hinterhältigen Angriff auf die Volksgemeinschaft erklärt wurde, verschoben sich die Grenzen, die bis dahin die Ruhrkampf‑Erinnerung in Freund und Feind strukturiert hatten, maßgeblich.“ (85) Vojin Saša Vukadinovi? fragt nach den antiimperialistischen und antizionistischen Positionen der RAF und arbeitet deren antisemitische Grundierung heraus. Ob man aber der RAF jenseits eines einfachen Kapitalismusverständnisses, eines unzureichenden Faschismusbegriffes, einer aus dem Maoismus übernommenen positiven Volksideologie und zynischer Gewaltbejahung auch tatsächlich „NS‑Apologetik“ (197) attestieren kann, ist fraglich, jedenfalls liefert der Autor dafür keinen schlüssigen Nachweis. Insgesamt handelt es sich um einen inspirierenden Sammelband, der einen guten Einblick in laufende Forschungsprojekte und aktuelle Forschungsfragen zu spezifischen Formen politischer Gewalt in der jüngeren deutschen Geschichte bietet.
Christoph Kopke (CKO)
Dr. phil., Dipl.-Pol., wiss. Mitarbeiter, Moses Mendelsohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.312.37 Empfohlene Zitierweise: Christoph Kopke, Rezension zu: José Brunner / Doron Avraham / Marianne Zepp (Hrsg.): Politische Gewalt in Deutschland. Göttingen: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37466-politische-gewalt-in-deutschland_45806, veröffentlicht am 28.08.2014. Buch-Nr.: 45806 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken