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Christoph Günther

Ein zweiter Staat im Zweistromland? Genese und Ideologie des "Islamischen Staates Irak"

Würzburg: Ergon Verlag 2014 (Kultur, Recht und Politik in muslimischen Gesellschaften 28); 354 S.; 58,- €; ISBN 978-3-95650-036-7
Orientwiss. Diss. Leipzig; Begutachtung V. Klemm, S. Conemann. – Die Aktivitäten fundamental‑islamistischer Terrorgruppen sind weiterhin eine ständige Bedrohung für Sicherheit und Frieden, auch und besonders in der arabischen Welt. Der „Islamische Staat Irak“, kurz ISI, ist ein Beispiel dafür, wie solche Gruppen versuchen, sich jenseits ihres terroristischen Handelns auch territorial zu konsolidieren. Christoph Günther beschreibt die Entstehung des ISI entlang drei großer zeitlicher Abschnitte. Der erste Teil ist der Zeit bis 2003 gewidmet, wobei besonders die Herrschaftstechniken von Saddam Hussein geschildert werden. Im zweiten Abschnitt von 2003 bis 2006 erläutert Günther die Anfänge des ISI und seiner Vorläufer in den Wirren nach dem Irakkrieg. Und im letzten Abschnitt betrachtet er die Zeit zwischen 2006 und 2010, als sich nach der Tötung von Abu Musab az‑Zarqawi der ISI letztlich unter neuer Führung gründete. Günther sieht den ISI mit Verweis auf die Typologie von Weber als Beispiel für eine traditionelle Herrschaft, die ihre Legitimität aus dem Glauben an die Rechtmäßigkeit der Prinzipien des Korans und weiterer religiöser Schriften bezieht. Gleichzeitig hat der ISI auch eine totalitäre Ausrichtung und versteht sich unter anderem als „einzig legitimes Sprachrohr der islamischen Umma“ (197), also der Gemeinschaft aller Muslime. Günther gelingt es in seiner Dissertation außerordentlich gut, religiöse, politische, kulturelle und auch wirtschaftliche Zusammenhänge in seiner Schilderung der Entwicklung des ISI zusammenzuführen. Das Buch verdeutlicht, wie der ISI von der Unordnung nach dem Irakkrieg profitierte und gezielt Leerstellen besetzte, die sich durch konfessionelle Auseinandersetzungen und die Abwicklung des alten Regimes ergaben. Die Betrachtungen reichen bis ins Jahr 2010, weshalb die Ausweitung des ISI nach Syrien nur im Ausblick kurz angeschnitten werden kann; dennoch handelt es sich um eine überzeugende Studie, die für aktuelle Analysen der Situation im Irak und in Syrien bedenkenlos herangezogen werden kann.
Max Lüggert (MLÜ)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.632.252.222.23 Empfohlene Zitierweise: Max Lüggert, Rezension zu: Christoph Günther: Ein zweiter Staat im Zweistromland? Würzburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37478-ein-zweiter-staat-im-zweistromland_46071, veröffentlicht am 28.08.2014. Buch-Nr.: 46071 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken