Véronique De Keyser ist Abgeordnete des Europäischen Parlaments; ihre Beobachtungen der Nahostpolitik der EU zwischen 2005 und 2012 bilden die Grundlage des Bandes, den sie gemeinsam mit dem im letzten Jahr verstorbenen Stéphane Hessel (siehe auch Buch‑Nr. 40862) veröffentlicht hat. In seinem Beitrag appelliert Hessel an die Vernunft Europas. Er hält im Nahostkonflikt die Zweistaatenlösung immer noch für die einzig sinnvolle: „zwei Staaten […], Palästina und Israel, die einen Wert gemeinsam haben, die Demokratie“ (15). Die Säkularität beider Staaten ist dabei das schwierigste Unterfangen, für Hessel aber der zentrale Faktor. Er sieht Europa besonders den Palästinensern gegenüber in der Pflicht: „Wir haben gegenüber unserem Verbündeten und Freund, dem Staat Israel, viel Entgegenkommen bewiesen und uns geweigert, die von diesem Staat verübten Rechtsverletzungen gegenüber seinen palästinensischen Nachbarn […] anzuprangern und zu verurteilen.“ (19) De Keyser formuliert es noch eindeutiger: „Europa hat versagt, es hat seine Ideale, seine Verträge, seine Versprechen verraten.“ (28) Daher fordert sie mehr Transparenz für die europäische Debatte über Israel und Palästina und geht mit ihrem Buch einen ersten Schritt. Besonders interessant ist ihr Bericht über die Parlamentswahlen in Palästina in 2006, die sie vor Ort als Leiterin einer von der EU entsandten Delegation zur Wahlbeobachtung begleitete. Es war eine Zeit großer Anspannung und großer Hoffnung. Präzise analysiert De Keyser die Situation nach dem Sieg der Hamas und die internationalen Reaktionen, besonders die der EU, der sie in Bezug auf Palästina eine „gespaltene Einstellung […] zu Recht und Gerechtigkeit“ (67) unterstellt. Der Band bietet einen detaillierten Überblick über die jüngere Zeit des Nahostkonflikts und die Rolle des internationalen Umfelds. Zudem legt die Autorin die Verfehlungen der EU auf dem Weg zu einer Konfliktlösung und deren Ursachen nachvollziehbar dar. Ihre Warnung vor dem, was passiert, wenn der gegenwärtige Kurs beibehalten werde, kommt aber augenscheinlich zu spät: „Eines Tages wird der Nahe Osten in Flammen stehen“. (201)