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Traugott Jähnichen / Torsten Meireis / Johannes Rehm / Sigrid Reihs / Hans-Richard Reuter / Gerhard Wegner (Hrsg.)

Soziales Europa?

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2014 (Jahrbuch Sozialer Protestantismus 7); 327 S.; kart., 29,99 €; ISBN 978-3-579-08056-7
Nur allzu häufig wird die europäische Integration als eine zu sehr auf wirtschaftliche (und mitunter noch deutlicher: neoliberale) Belange zugeschnittene Entwicklung beschrieben, die politische und soziale Bedürfnisse der Menschen außer Acht lasse. So gesehen ist das Fragezeichen, das die Herausgeber dem Titel hinzugefügt haben, durchaus berechtigt. Gerade mit Blick auf gegenwärtige und künftig zu erwartende ökonomische Konflikte innerhalb der Union formuliert Gustav Horn die wohl weitreichendste Frage aller Beiträge: „Ist ein gerechtes und soziales Europa möglich?“ (73) Seiner Einschätzung nach kann nur eine weitergehende institutionelle Vertiefung der EU, die noch dazu auf dem Prinzip der Solidarität mit wirtschaftlich schwachen Staaten gegründet ist, in ein tatsächlich sozialeres und gerechteres Europa münden. Solidarität, langfristige Sicherheit, ökonomische Stabilität und eine tendenzielle Angleichung der Lebensverhältnisse wären – zumindest mit Blick auf die Binnenverhältnisse – Bestandteile einer, im Sinne von Horn, konstruktiven europäischen Utopie. Allerdings genügt diese Introspektion bei der Frage nach einem gerechten Europa kaum, denn es ist nicht alleine auf der Welt. Und so gehört, wenn es um die Vorstellung eines sozialen Europas geht, auch die Frage dazu, wie die EU mit all jenen umgeht, die den eigenen Tod in Kauf nehmen, nur um irgendwo und irgendwie ihren Fuß auf europäisches Territorium setzen zu können. Bislang, so Wolf‑Dieter Just in seinem Beitrag, stehe dem auch für Migrantinnen und Migranten offenen, sozialen Europa das Bild der „Festung Europa“ (131) entgegen. Eine beliebige, auf dem Prinzip der Herkunft basierende Exklusion solcher Menschen lasse sich aber weder mit dem christlichen Glauben, noch mit der universellen Geltung der Menschenwürde vereinbaren. Dementsprechend, so seine politische Forderung, müsse die EU dringend ihren Umgang mit Flüchtlingen verändern. Allein schon wegen dieses Beitrages ist der Band überaus lesens‑ und der Diskussion wert.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 3.52.232.352.612.52.262 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Traugott Jähnichen / Torsten Meireis / Johannes Rehm / Sigrid Reihs / Hans-Richard Reuter / Gerhard Wegner (Hrsg.): Soziales Europa? Gütersloh: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37554-soziales-europa_45965, veröffentlicht am 18.09.2014. Buch-Nr.: 45965 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken