Vivisektionen setzen gemeinhin voraus, dass ihr Gegenstand noch lebt, wollen sie nicht zur Autopsie werden, die den Tod des Klienten längst festgestellt hat. Ganze Zeitalter – wenn es sich auch, wie Eric Hobsbawm meint, beim zwanzigsten Jahrhundert nur um ein sehr kurzes handelt – sterben hingegen nicht einfach so, sie scheitern höchstens an ihren selbst geschaffenen Herausforderungen. Und so ist es auch nicht das zwanzigste Jahrhundert selbst, das Honneth seziert, sondern es sind die Erfahrungen an Leid und großen Enttäuschungen, an denen die intellektuellen Repräsentationen eben dieses Zeitalters mal gewachsen und mal gescheitert sind. Die versammelten Vor‑ und Nachworte sowie einige Laudationes aus Neuausgaben oder Kommentarbänden zu Werken einiger tatsächlich oft vernachlässigter Denker und einer Denkerin des politischen Liberalismus – nur zwei der Texte sind bisher unveröffentlicht – enthalten teils verblüffende Gedanken zu dem inneren Zusammenhang und zur internationalen Vernetzung der jeweiligen Autoren; so etwa wenn an John Dewey erinnert wird, der schon früh versucht hat, die missionarische deutsche Volkstümelei nicht nur über den kulturpessimistischen Irrationalismus Nietzsches, sondern gerade über Kants „wahnhaften Idealismus“ (51) zu erklären. Honneth hält sich darüber bedeckt, welche Prärequisiten für die Aufarbeitung intellektueller Geschichte als „Prozess“ (9) notwendig wären, und noch mehr darüber, welcher spezifische Nutzen daraus entspringt. Die stärksten Momente hat der Band jedenfalls immer dann, wenn hinter der Rekonstruktion Honneths eigene Analyse, sein eigenes Leiden an unserem Zeitalter durchscheint.