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Stephan Lorenz

Mehr oder weniger? Zur Soziologie ökologischer Wachstumskritik und nachhaltiger Entwicklung

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Sozialtheorie); 138 S.; kart., 19,99 €; ISBN 978-3-8376-2776-3
„Ob man mit weniger oder mehr glücklicher wird, ist in vieler Hinsicht Geschmackssache und lässt sich nicht für alle verbindlich festschreiben“ (21). Stephan Lorenz beantwortet die Titelfrage also nicht und statt einer Streitschrift gegen den Wachstumswahn liefert er eine differenzierte Beschreibung der Kernanliegen ökologischer Wachstumskritik. Ökologische Wachstumskritik sei vor allem Industrialismus‑Kritik und nicht primär Kapitalismus‑Kritik, stellt er fest – schließlich wirtschafteten die sozialistischen Industriestaaten nicht ökologischer. In der Nachhaltigkeitsdebatte stehen sich nach Beobachtung von Lorenz Anhänger der Effizienz‑, Konsistenz‑ und Suffizienz‑Strategie gegenüber. Er kritisiert alle drei Ansätze als unzureichend und dogmatisch, denn die technologiefokussierten Effizienz‑ und Konsistenz‑Ansätze seien immer mit unkalkulierbaren Nebenfolgen und Rebound‑Effekten verbunden, der Suffizienz‑Ansatz müsse an kulturellen Widerständen scheitern. Mehr oder weniger Wachstum? Lorenz drängt darauf zu fragen: Wozu Wachstum? Technische Fortschritte seien heute oft Selbstzweck, „nur verbesserte Mittel zu einem unverbesserten Zweck“ (25, zitiert nach Thoreau 2009), etwa wenn billigere Mobilität Reiseziele durch die Belastungen des Massentourismus entwerte. Verweise auf den Schriftsteller und Philosophen Henry David Thoreau sind der rote Faden des Buches. Für Lorenz ist er der Vordenker der ökologischen Wachstumskritik, dessen eingängige Zitate wiederholt er teils mehrfach, etwa: „Mit überflüssigem Reichtum kann man nur Überflüssiges erwerben“ (33). Lorenz kritisiert, dass Wachstum als selbstverständliches Ziel gesehen wird. Traditionelle Normen fehlten als mögliche Orientierung für Wachstumsgrenzen. Zeitgeistige Moden, eigendynamische technische Entwicklung und Profitstreben sorgten für unstillbare Bedürfnisse. Ein hohes Wohlstandsniveau sei aber relativ, es könnte auch durch niedrige Bedürfnisse geschaffen werden. Doch Verzicht dürfte nicht Selbstzweck werden, sondern solle der Konzentration auf das sinnstiftende Wesentliche dienen. Lorenz‘ Quintessenz fällt knapp aus: Sozioökologische Zukunftsaufgaben seien immer auch Demokratisierungsaufgaben, „in denen auf breiter und heterogener Beteiligungsbasis herausgefunden wird, was wie [...] erreicht werden soll und welche Konsequenzen von wem getragen werden müssen“ (125). Die Soziologie solle diese Aushandlungsprozesse untersuchen und unterstützen, vor allem durch Verfahrensvorschläge und das Rekonstruieren von Mittel‑Zweck‑Relationen.
Wolfgang Denzler (WDE)
Diplom-Journalist, Student, Institut für Politikwissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Stephan Lorenz: Mehr oder weniger? Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37564-mehr-oder-weniger_46077, veröffentlicht am 18.09.2014. Buch-Nr.: 46077 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken