Streiks im Perlflussdelta. ArbeiterInnenwiderstand in Chinas Weltmarktfabriken. Hrsg. und übersetzt von Ralf Ruckus
Das Perlflussdelta im Süden Chinas gilt nach wie vor als Werkbank der Welt, in der Region werden rund 30 Prozent der chinesischen Exporte produziert. Mehrere Millionen Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen arbeiten dort unter meist unzumutbaren Zuständen, weswegen sie zunehmend Widerstand leisten. Diese Sammlung von Streikberichten, die seit 2011 in China als Samisdat‑Literatur zirkulieren und im Vorwort etwas martialisch als „Kampfberichte“ (9) beschrieben werden, zeigt drei Streikarten: Streiks gegen Fabrikschließungen, gegen Lohnsenkungen und für Lohnerhöhungen. Aufgeschrieben als Oral History, versammelt der Band Interviews aus den Jahren 2010 und 2011 und gibt die „authentischen Erfahrungen und Empfindungen“ (10) der Belegschaften wider, die in den zehn Jahren davor an Streiks beteiligt waren. So berichtet eine Arbeiterin, wie sie 2003 für Lohnerhöhungen streikte. Diese wurden sogar erstritten, aber „durch andere Abzüge [zum Beispiel für das Wohnheim] wieder aufgehoben“ (78). Aufgrund der Altersstruktur und des meist geringen Bildungsgrades kam es oft vor, dass ahnungslose Teenager an den Streiks beteiligt waren, die vor allem mitmachten „weil es Spaß machte, überall herumzulaufen statt zu arbeiten“ (157). Streikanfüher_innen, die oft etwas leichtere Aufgaben hatten und älter waren, sahen sich im Verlauf von Streiks mit zwei Problemen konfrontiert: einerseits die Kommunikation mit und Vermittlung zwischen den Streikenden; andererseits die Unterstellung, sie seien von der Fabrikleitung gekauft. Eine Arbeiterin organisierte 2006 eine Autobahnblockade mit, so ein weiteres Beispiel, nachdem sie mehrfach „Ungeziefer in den Mahlzeiten“ (125) gefunden hatte. Diese Blockade war, wie einige andere der beschriebenen Streiks, erfolgreich, da die Hygiene verbessert und auch der Tageslohn erhöht wurde. Insgesamt werden solche Streiks nicht automatisch zu einer grundlegenden Umwälzung der „kapitalistischen Verhältnisse in China“ führen, schreibt Ralf Ruckus. Allerdings verdeutlichen sie die Herausbildung einer neuen Arbeiterklasse, „die eine solche grundlegende Umwälzung erst möglich macht“ (8).