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Brigitte Aulenbacher / Maria Dammayr (Hrsg.)

Für sich und andere sorgen. Krise und Zukunft von Care in der modernen Gesellschaft

Weinheim/Basel: Beltz Juventa 2014 (Arbeitsgesellschaft im Wandel); 256 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-7799-3042-6
Der demografische Wandel und die gestiegene Frauenerwerbstätigkeit lassen einen Bereich in das Blickfeld rücken, der lange Zeit als Privatangelegenheit galt – Care. Darunter wird die Sorge(‑arbeit) für andere (Kinder, Ältere, Kranke) und zunehmend auch um sich selbst verstanden. Diese Sorge ist zentral für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, aber die Bedingungen, unter denen sie geleistet wird, sind gegenwärtig von Krisenprozessen gekennzeichnet. In dem Sammelband werden diese Herausforderungen aufgegriffen und die Entwicklungstendenzen diskutiert. Im ersten Abschnitt zeigen die Autorinnen und Autoren Problemfelder auf, die sich insbesondere durch Verschiebungen innerhalb und zwischen den zentralen gesellschaftlichen Institutionen Markt, Staat und Familie herausbilden. So müssen das Individuum und die Familie die Auswirkungen der zunehmenden Rationalisierung von Wirtschaft und Staat austragen, wie Hans‑Peter Müller diagnostiziert, was zu Verunsicherung und damit auch zu einer Einschränkung der Möglichkeiten zur selbstbestimmten Lebensführung führt. So würden Leistungs‑ und Konkurrenzdruck, Flexibilitäts‑ und Mobilitätserfordernisse steigen, während die Räume und Ressourcen für Selbstverwirklichung begrenzt werden. Cornelia Klinger sieht nicht nur das Problem, dass durch Rationalisierung und Effizienzsteigerung die private Lebenswelt belastet wird, sondern auch, dass Selbst‑ und Lebenssorge selbst diesen Prinzipien unterworfen und zu einer neuen Selbsttechnologie werden. Dies treffe zum Beispiel zu, wenn Bildungsprozesse weniger als Teil der Persönlichkeitsentwicklung begriffen würden, sondern als Herausbildung eines marktgängigen Humankapitals. Als konkretes Beispiel für diese Art der Vermachtung des Lebens können auch die Zumutbarkeitsregeln und Auswahlprüfungen im Rahmen der Hartz IV‑Gesetze gesehen werden, die Klaus Dörre auf der Basis einer empirischen Untersuchung herausarbeitet. Im zweiten Abschnitt finden sich überwiegend vergleichende Beiträge, die zum einen die Umverteilung von Care‑Aufgaben zwischen den Geschlechtern (Sabine Beckmann) oder auch auf migrantische Arbeitskräfte (Eva Palenga‑Möllenbeck, Almut Bachinger) analysieren. Insgesamt steht der österreichische Wohlfahrtsstaat im Mittelpunkt dieses Sammelbandes, der auf eine Veranstaltungsreihe zurückgeht, die von der Arbeiterkammer Oberösterreich, der Universität Linz und der Stadt Linz veranstaltet wurde. Der Band bietet einen guten Überblick über aktuelle Debatten um Care. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass viele Beiträge ihren starken Vortragscharakter behalten haben.
Alexandra Scheele (AS)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl Wirtschafts- und Industriesoziologie der BTU Cottbus.
Rubrizierung: 2.222.232.2622.3422.3312.352.61 Empfohlene Zitierweise: Alexandra Scheele, Rezension zu: Brigitte Aulenbacher / Maria Dammayr (Hrsg.): Für sich und andere sorgen. Weinheim/Basel: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37620-fuer-sich-und-andere-sorgen_45779, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 45779 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken