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Thomas Sören Hoffmann (Hrsg.)

Das Recht als Form der "Gemeinschaft freier Wesen als solcher". Fichtes Rechtsphilosophie in ihren aktuellen Bezügen

Berlin: Duncker & Humblot 2014 (Begriff und Konkretion 1); 299 S.; 79,90 €; ISBN 978-3-428-14279-8
Eines der großen Verdienste Kants war die Erkenntnis, dass Recht zwar nicht mehr durch den Naturrechtsbegriff, aber doch apriorisch begründet wird. Damit nimmt er eine mittlere Position zwischen einem normativen und einem instrumentellen Rechtsverständnis ein. Dieser Sammelband zeigt, wie Fichte mit seiner „Grundlage des Naturrechts nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre“ Kants Position weiterentwickelt. Die für die Politikwissenschaft jederzeit aktuelle Frage, wie weit der Staat Sozialrechte garantieren soll, ohne in Sozialismus und Bürokratie auszuarten, behandeln die Beiträge von Johann Braun und Helmut Girndt. Bei Braun überwiegt eine Interpretation Fichtes als Sozialist. Da Eigentum eine dem eigenen Unterhalt dienende Tätigkeit ermöglicht, fordert Fichte als Folge eine allmähliche Verstaatlichung aller Tätigkeiten. Sobald die Menschen die staatlichen Vorgaben verinnerlicht haben, sind kein Zwang und kein Recht mehr nötig: „Wenn Freiheit ein Zustand ist, in dem jeder aus eigener Überzeugung tut, was er aus Vernunftgründen tun soll, erweist sich der höchste, auch die Überzeugung selbst steuernde Zwang als der Schlüssel zur wahren Freiheit“ (138). Ein anderes Verständnis von Fichte zeigt Girndt, der ihn als Vordenker des Rechts‑, Sozial‑ und Kulturstaates darstellt. Recht beruht auf einem unveräußerlichen Urrecht auf alle möglichen Handlungen. Während manche Rechte durch die Rechte anderer eingeschränkt werden, sind die Grundrechte dauerhaft bindend, wie etwa das Recht auf Arbeit. Wo Arbeit nicht möglich ist, muss die Rechtsgesellschaft Bedürftige sozial unterstützen. Den Kulturstaat leitet Girndt folgendermaßen aus Fichte ab: „Jedem im Rechtsverhältnis Stehenden muss über die Erfüllung natürlicher Bedürfnisse hinaus Kraft und Zeit für beliebige, frei zu wählende Zwecke garantiert werden“ (151). Insgesamt bietet der Band anhand aktueller Themen einen guten Einstieg in Fichtes Denken. Er macht Fichtes Brückenfunktion zwischen Kant und Hegel sowie seine zentrale Stellung für den deutschen Idealismus deutlich und ermöglicht ein erweitertes Verständnis dieser Epoche.
Maria Grazia Martino (MAR)
Dr., Politikwissenschaftlerin, FU Berlin.
Rubrizierung: 5.335.44 Empfohlene Zitierweise: Maria Grazia Martino, Rezension zu: Thomas Sören Hoffmann (Hrsg.): Das Recht als Form der "Gemeinschaft freier Wesen als solcher" Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37624-das-recht-als-form-der-gemeinschaft-freier-wesen-als-solcher_45899, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 45899 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken