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Nils M. Franke / Uwe Pfenning (Hrsg.)

Kontinuitäten im Naturschutz

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 264 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8487-0556-6
Im September 2012 organisierten die beiden Herausgeber eine Tagung, die sich dem langen Schatten auf dem Naturschutzes in der frühen Bundesrepublik und damit einem überaus spannenden und bisher kaum erforschten Thema widmete: der Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Bereich Naturschutz. Genauso wie im besser erforschten Auswärtigen Amt und dem Bundesnachrichtendienst gab es nach 1945 auch im Bundesamt für Naturschutz, an mehreren Universitäten und in vielen namhaften ehrenamtlichen Verbänden Personen, die schon vor 1945 in diesen Bereich tätig gewesen waren und die nun Konzepte und Ideen wie beispielsweise die der Landschaftsplanung oder den Heimatbegriff zwar teilweise modifizierten und an demokratische Denkmuster anpassten, aber im Kern nationalsozialistisches Gedankengut weitertrugen. Der Sammelband enthält einige auf der Tagung präsentierten Beiträge sowie auch Artikel von anderen Autor_innen, die eine ganze Reihe an personellen Kontinuitäten aufdecken. So hat beispielsweise Nils Franke Archivakten ausgewertet und kann nachweisen, dass die zu NS‑Zeiten bestehenden Netzwerke von Naturschutzfunktionären teilweise bis in die 1970er‑Jahre hinein fortexistierten: Hans Klose etwa hat mit Göring das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 durchgesetzt und war ab 1938 Leiter der Reichsstelle für Naturschutz, von 1945 bis 1954 leitete Klose die Zentralstelle für Naturschutz und Landschaftspflege, außerdem war er Mitbegründer des Deutschen Naturschutzrings und sorgte mit dafür, dass sein Mitarbeiter Otto Ketelhut ab 1954 als Naturschutzbeauftragter in Berlin tätig war. Auch Walther Schoenichen, vor, während und nach der NS‑Zeit Publizist zahlreicher Bücher sowie maßgeblicher Theoretiker und Sachverwalter des Naturschutzes in Deutschland, wurde bis in die 1980er‑Jahre nicht kritisch diskutiert, wie Ludwig Fischer in seinem Beitrag betont. Fischer legt sein Augenmerk aber nicht so sehr auf die NS‑Tätigkeit des Publizisten, sondern skizziert, wie bei Schoenichen eine frühe Affinität zu völkisch‑nationalistischem Denken entstand, die zwischen 1932 und 1942 in eine „offen rassistische und nationalistisch aggressive Begründungslogik für den Naturschutz“ überführt wurde und nach 1945 „nur oberflächlich eine ‚demokratische‘ Korrektur“ (98) bekam. Auch jenseits dieser personellen Kontinuitäten kommen in dem Band viele spannende Aspekte zur Sprache, etwa im ausführlich und luzide gearbeiteten Beitrag von Hans‑Dietrich Schulz, der die Wissenschaftsgeschichte der Geografie und das im Denken des Faches angelegte völkisch‑kulturelle Moment beleuchtet.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.35 | 2.312 | 2.313 | 2.314 | 2.341 | 2.261 | 2.22 | 2.4 | 2.67 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Nils M. Franke / Uwe Pfenning (Hrsg.): Kontinuitäten im Naturschutz Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37625-kontinuitaeten-im-naturschutz_45900, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 45900 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken