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Birgit Englert / Barbara Gärber (Hrsg.)

Landgrabbing. Landnahme in historischer und globaler Perspektive

Wien: new academic press 2014 (Historische Sozialkunde / Internationale Entwicklung 33); 232 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-7003-1895-8
Die moderne Form des Landgrabbing, die Aneignung von Land durch staatliche oder private Investoren zum Zwecke der Umnutzung der Flächen, wird zumeist mit der globalen Klima‑ und Energiekrise sowie der Finanzmarktkrise erklärt. Die Herausgeberinnen legen in diesem interdisziplinären Sammelband ein breiteres Verständnis von Landgrabbing zugrunde, um dieses Phänomen nicht nur in seiner gegenwärtigen Form, sondern ebenso in historischer Perspektive zu betrachten „und somit Kontinuitäten in Bezug auf Landnahmen aufzuzeigen“ (9). Ziel ist es zudem, die mit der Landfrage verbundenen vielfältigen sozialen, ökologischen und politischen Zusammenhänge im globalen, nationalen, lokalen und auch familiären Kontext darzulegen. Mit einem solchermaßen breit angelegten Zugriff auf das Thema werden – und das ist ein besonderer Wert des Bandes – sowohl Forschungslücken und Versäumnisse als auch neue Forschungsperspektiven offenbar. So macht Henning Melber am Beispiel nachkolonialer Landpolitik im südlichen Afrika darauf aufmerksam, dass Land „eines der identitätsstiftenden Elemente einer Gemeinschaft“ (35) ist und die Landfrage immer auch eine „zutiefst emotionale“ Dimension aufweist, die „nicht ignoriert werden kann“ (36). Als eine besonders dramatische Ausprägung der Landnahme beschreibt Barbara Gärber das „Property Grabbing“ (122) an Beispielen aus dem südlichen und östlichen Afrika. Infolge familiärer Verteilungskonflikte werden Frauen „ihres Landzugangs beraubt und [häufig unter Beschlagnahmung ihrer persönlichen Habe] gewaltsam vom familiären Landbesitz vertrieben“ (117). Dass Landbesitz und Landpolitik ein Spiegel gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse sind, wird in weiteren Beiträgen, unter anderem über Landrechtsbewegungen und Formen des Widerstandes gegen Landnahmen, aufgezeigt. Nicolas Wasser et. al. befassen sich mit der Bedeutung von Geschlecht in der Agrarstoffproduktion und bemängeln, dass in der gegenwärtigen Debatte über die sozialen Konsequenzen des Landgrabbing Erkenntnisse aus der entwicklungs‑ und umweltbezogenen Geschlechterforschung kaum aufgegriffen werden. Andreas Exenberger warnt davor, mit dem Begriff Landgrabbing die zahlreichen unterschiedlichen Ausprägungen zu verschleiern. Bei aller berechtigten Kritik des gegenwärtigen „Landrausches“ (145) sollten seiner Ansicht nach auch die Chancen im Sinne einer „Inwertsetzung von Ressourcen oder der Aktivierung nachhaltiger Entwicklungspotenziale“ (145) in den Blick genommen werden.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.43 | 4.45 | 2.2 | 4.42 | 2.27 | 2.64 | 2.65 | 2.67 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Birgit Englert / Barbara Gärber (Hrsg.): Landgrabbing. Wien: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37626-landgrabbing_45927, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 45927 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken