Egon Bahr wird in dieser „Art von Biografie“ anlässlich seines 90. Geburtstages gewürdigt. Der Journalist Jörg Hafkemeyer stellt dabei die Genese der neuen Ostpolitik und ihre Umsetzung 1970 in den Verträgen von Moskau und Warschau sowie im Grundlagenvertrag 1972 in den Mittelpunkt. Als enger Mitarbeiter Willy Brandts – als sein „Kammerdiener“ (14), wie er selbst scherzhaft meinte – und dann vor allem in seiner Funktion als Staatssekretär im Bundeskanzleramt hatte Bahr den „Wandel durch Annäherung“, so die von ihm gefundene Formel, maßgeblich mitgestaltet. Hafkemeyer stützt seine Darstellung auf Bahrs eigene Erinnerungen, die Memoiren und ein Gespräch mit dem einstigen sowjetischen Diplomaten Valentin Falin sowie zahlreiche andere Gespräche und Bücher. Entstanden ist so ein biografischer Ausschnitt aus dem Leben eines Mannes, der aus der zweiten Reihe heraus maßgeblich die Stellung der Bundesrepublik im Kalten Krieg der 1970er‑Jahre mitbestimmte. Mit Brandt einte ihn dabei seit dem Mauerbau die Erkenntnis, dass die Deutschen ihr Schicksal nicht allein von den Alliierten bestimmen lassen sollten. Hafkemeyer stellt dabei die in der Literatur meist eher nicht beachtete Tatsache heraus, dass US‑Präsident John F. Kennedy kurz vor dem Mauerbau in einer Rede den Viermächtestatus von ganz Berlin faktisch aufgegeben hatte, sinngemäß so: „Wir begnügen uns mit West‑Berlin. Das war es.“ (26) Insgesamt legt Hafkemeyer damit auch einen Rückblick auf die wichtigste Phase in den deutsch‑deutschen Beziehungen vor, geschrieben mit leichter Hand und vor allem für einen größeren Leserkreis geeignet. Neben seinen konkreten politischen Verdiensten hebt Hafkemeyer schließlich noch eine Eigenschaft Bahrs hervor, die von zeitlosem Wert ist: „Die Macht sowie sein jahrzehntelanger politischer Einfluss haben ihn nicht verdorben. Ihm nichts anhaben können.“ (154)