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Helmut Kellershohn / Jobst Paul (Hrsg.)

Der Kampf um Räume. Neoliberale und extrem rechte Konzepte von Hegemonie und Expansion

Hamburg/Münster: Unrast 2013 (Edition des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung im Unrast Verlag 34); 121 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-89771-763-3
Es ist in vielen Bereichen der Rechtsextremismusforschung inzwischen Gang und Gäbe, rechtsextreme und neoliberale Politikkonzepte in einem Atemzug zu nennen. Aber ist das Argument auch überzeugend? Sicher, Rechtsextremismus und Neoliberalismus verbindet das Moment der harten Ein‑ und Ausgrenzungsmechanismen, der rücksichtslosen Elitisierung und der extremen Segmentierung von Gesellschaft. Aber reicht das für eine Analogisierung, wenn die Motive sich deutlich unterscheiden und wenn sich die realen Politikszenen nicht strukturell, sondern nur fallweise überlappen? Kellershohn und Paul schließen mit ihrem Band an diese Analogisierung an, die vorschnell die in den einzelnen Beiträgen tatsächlich liegende Qualität verschütten könnte. Denn der Band ist fraglos eine Sammlung von Aufsätzen über neue Strategien und Entwicklungen im Bereich der extremen Rechten, der von den Herausgebern hervorragend zusammengestellt wurde und enormen Erkenntnisgewinn über Teilbereiche des Rechtsextremismus präsentiert, die mehr Beachtung verdienen: Das reicht von städtischen Lokalstudien über Rassismus und Antiziganismus (Duisburg), der städtischen Dimension des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (Zwickau), neonazistischen Raumergreifungs‑ und antifaschistischen Gegenstrategien (Berlin und Leipzig) bis zur Analyse der Entwicklungen des neonazistischen Konzepts der national befreiten Zonen hin zur faktischen Schaffung von No‑go‑Areas sowie zur Auseinandersetzung mit den (medialen) Raumergreifungsstrategien der sogenannten Unsterblichen. Neben den Beiträgen zur urbanen Raumdimension stehen die zur europäischen, unter anderem zu geopolitischen Konzepten der extremen Rechten und zu den (Gegen‑)Perspektiven, die die Kritische Geografie zu eröffnen beginnt. Gemeinsam ist allen Texten, dass sie Räume als Orte der Auseinandersetzung um Machtpositionen im gesellschaftlichen und/oder politischen Kontext begreifen, die zwischen Frei‑Räumen und Dominanz‑Räumen hin‑ und herchargieren und dabei sowohl geografisch als auch virtuell umkämpft sind. Ob man im Neoliberalismus, an dessen autoritäre Seite – wie die Herausgeber durchaus zutreffend betonen – rechtsextreme Bewegungen anknüpfen, allerdings dem Raum tatsächlich eine solche Dominanz‑ und Domestizierungsfunktion einräumt, wie dies in der Geopolitik des Rechtsextremismus der Fall ist oder ob nicht eher eine temporäre mit einer kausalen Analogie von Neoliberalismus und Rechtsextremismus verwechselt wird, wäre im Anschluss an die Beiträge des Bandes wert, weiter vertieft zu werden.
Samuel Salzborn (SZ)
Prof. Dr., Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaft, Georg-August-Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.22.232.322.3252.373.5 Empfohlene Zitierweise: Samuel Salzborn, Rezension zu: Helmut Kellershohn / Jobst Paul (Hrsg.): Der Kampf um Räume. Hamburg/Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37690-der-kampf-um-raeume_44728, veröffentlicht am 23.10.2014. Buch-Nr.: 44728 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken