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Heidrun Friese

Grenzen der Gastfreundschaft. Die Bootsflüchtlinge von Lampedusa und die europäische Frage

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Kultur und soziale Praxis); 246 S.; kart., 29,99 €; ISBN 978-3-8376-2447-2
Im Diskurs über Flüchtlingsbewegungen nach Europa ist die Insel Lampedusa zum Sinnbild geworden. Im Mittelmeer spielen sich nicht nur immer wieder menschliche Tragödien ab; auch ist die Insel „zu einem der Symbole des europäischen Grenzregimes geworden, das auch Grenzen der Gastfreundschaft absteckt“ (13). Der Begriff Gastfreundschaft ist für Heidrun Friese zentral – in ihm manifestieren sich unterschiedliche Vorstellungen über das Verhältnis zu dem Anderen, dem Fremden, über Zugehörigkeit, Nähe oder Distanz. Die Anthropologin widmet sich, ausgehend von Begriffen wie Grenzen oder Staatsbürgerschaft, jener transnationalen, also grenz‑überschreitenden Mobilität, die an Europas Innengrenzen seit Langem selbstverständlich, an seinen Außengrenzen aber – als illegale, undokumentierte Migration – äußerst brisant ist. Friese betont dabei die „Spannungen zwischen Mitgliedschaft und Ausschluss, zwischen territorialem Nationalstaat und kosmopolitischem Anspruch“ (53). Anhand historischer Semantiken zeigt sie kulturwissenschaftliche und philosophische Perspektiven auf den ‚Gast’ und den ‚Fremden’; sei es in der politischen Philosophie – etwa in Konzepten wie Territorium und Staatsbürgerschaft oder bei den Gerechtigkeitsvorstellungen von Liberalismus und Kommunitarismus – sowie der Soziologie und Anthropologie bei Simmel oder Schütz. In der zweiten Hälfte des Buches überträgt Friese diese theoretischen Befunde dann – nicht zuletzt auf Basis ihrer langjährigen Feldstudien – auf Lampedusa. Sie beleuchtet die historischen Verbindungen zum Mittelmeer sowie Fragen von Ressourcen und politischen Praktiken, etwa die organisatorischen Hintergründe der Mittelmeer‑Überquerung oder (see‑)rechtliche Regelungen der Rettung von Flüchtlingen in Not. Das Mittelmeer erscheint ihr als „befestigter Grenzraum, der Mobilität zu kontrollieren […] sucht und unterschiedliche Akteure, Diskurse, Bilder zu einem komplexen ‚Grenzregime’ zusammenbindet“ (114). Im Wesentlichen stellen Frieses Ausführungen, die an vielen Stellen von einem gewissen Zynismus durchzogen sind, vor allem eine wiederholte Kritik an den „derzeitigen Politiken neoliberaler Governance“ (217) und ein Plädoyer für „lokalisierten Kosmopolitismus“ (201) mit entsprechenden Konzepten von Gastfreundschaft dar.
Frank Kaltofen (FK)
Politikwissenschaftler, Promotionsstudent, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 4.422.612.233.15.425.43 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Heidrun Friese: Grenzen der Gastfreundschaft. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37710-grenzen-der-gastfreundschaft_46146, veröffentlicht am 23.10.2014. Buch-Nr.: 46146 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken