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Reiner Fenske

Vom "Randphänomen" zum "Verdichtungsraum" Geschichte der "Rechtsextremismus"-Forschungen seit 1945

Münster: Unrast 2013; 190 S.; 16,- €; ISBN 978-3-89771-539-4
Reiner Fenskes Darstellung zur Geschichte der Rechtsextremismusforschungen ist über weite Strecken ausgesprochen lesenswert. Lesenswert deshalb, weil Fenske – mit deutlich wahrnehmbarer, aber gerade aufgrund dieser Transparenz angenehm offener, politischer Eigenbewertung (die man keineswegs immer teilen muss) – die unterschiedlichen Denkschulen der Rechtsextremismusforschung in ihrer Kontroversität rekonstruiert. Dabei stellt er die zwei großen Modelle gegeneinander: auf der einen Seite die Extremismus‑ beziehungsweise Pathologiethesen, auf der anderen Seite die Überlegungen zu einem „Extremismus der Mitte“, die letztlich allen Begriffsdebatten in der Rechtsextremismusforschung zugrunde liegen. Kurz gesagt vertritt der eine Ansatz die These, dass Rechtsextremismus am Rande der Gesellschaft zu lokalisieren sei und mit anderen Extremismen, insbesondere dem Linksextremismus, viele Gemeinsamkeiten teile, während der andere Ansatz die Entstehung und Relevanz von antidemokratischen und antiaufklärerischen Einstellungen in allen Bereichen der Gesellschaft lokalisiert und damit die politische Mitte nicht normativ aus der Verantwortung für Rechtsextremismus nimmt, sondern im Gegenteil Radikalisierungsoptionen in der politischen Mitte hinterfragt. Etwas unklar bleibt in diesem Kontext die Einordnung von Karl Loewenstein, der recht umstandslos der Extremismusthese zugeschlagen wird, was aus Sicht des Rezensenten zu wenig Loewenstein und zu viel Jesse in die Loewenstein‑Lektüre legt, wobei eine tiefergehende Analyse des Konzeptes der „militant democracy“ von Loewenstein nötig wäre, um zu zeigen, dass dieses mehr und anderes beinhaltet als das Konzept der „streitbaren Demokratie“ (das aber auch durchaus nicht umstandslos mit den Überlegungen der Extremismustheorie in eins gesetzt werden sollte). Unklar wird die Logik der Arbeit von Fenske dann aber an der (späten) Stelle, an der er – ohne wirklich logisch beziehungsweise argumentativ ersichtlichen Grund – seine eigenen Überlegungen zu einer „neueren (kritischen) Forschung“ (149) (als würde es kritische Rechtsextremismusforschung nicht schon lange und letztlich auch gegenüber den Extremismustheorien intellektuell dominierend geben) anschließt, die den eigenen Ansatz zum neuen Heilsversprechen der Rechtsextremismusforschung erklärt, womit diskriminierungstheoretische Überlegungen letztlich gegen strukturtheoretische ausgespielt werden. Hier wäre vielleicht ein „und“ mehr als ein „oder“.
Samuel Salzborn (SZ)
Prof. Dr., Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaft, Georg-August-Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.375.2 Empfohlene Zitierweise: Samuel Salzborn, Rezension zu: Reiner Fenske: Vom "Randphänomen" zum "Verdichtungsraum" Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37718-vom-randphaenomen-zum-verdichtungsraum_45232, veröffentlicht am 30.10.2014. Buch-Nr.: 45232 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken