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Michael Beetz / Michael Corsten / Hartmut Rosa / Torsten Winkler

Was bewegt Deutschland? Sozialmoralische Landkarten engagierter und distanzierter Bürger in Ost- und Westdeutschland

Weinheim/Basel: Beltz Juventa 2014; 393 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-7799-2920-8
Mit dem diesem Band zugrunde liegenden Forschungsprojekt verfolgen die Autoren die ambitionierte Zielsetzung, durch die Verbindung von Zeitdiagnose und Grundlagenforschung „eine methodisch kontrollierte Erfassung der gelebten politischen Kultur Deutschlands im Lichte des konstitutiven Verhältnisses von sozialer Identität und gesellschaftlicher Teilhabe“ (10) zu ermöglichen. Aufgrund seiner generalisierenden Konnotationen wirkt der Titel des Bandes etwas irreführend – im Zentrum der Untersuchungen stehen Beweggründe bürgerschaftlichen Engagements (BE). Angesichts der Spannungen zwischen kapitalistischer Vergesellschaftung, demokratietheoretisch untermauerten Ansprüchen der Zivilgesellschaft und zunehmender Individualisierung von Beziehungen ist die Ausbildung sozialer Identitäten mit den widersprüchlichen Anforderungen von Nutzenmaximierung und Gemeinsinn konfrontiert. Vor diesem Hintergrund wird dem BE – verstanden als „semi‑institutionalisierte Form gesellschaftlicher Gestaltung“ (28) – in zeitdiagnostischer Perspektive ein hoher normativer Status zugesprochen. Die Autoren deuten es als Bemühen, jenseits der konventionellen Sphären von Beruf und Familie Spielräume für Anerkennung zu erschließen. Zur Identifizierung der relevanten Handlungsorientierungen verwenden die Autoren – in Anlehnung an Charles Taylor – das Modell sozialmoralischer Landkarten, die jeweils individuell eine Verbindung von sozialer Identität, kulturellen Werten und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen. Die empirische Basis bilden 2001 bis 2010 als Panelerhebung durchgeführte biografische Interviews mit rund 100 Personen in je zwei west‑ beziehungsweise ostdeutschen Mittelstädten. Die Befunde werden sowohl methodologisch – hinsichtlich der Belastbarkeit des Konzeptes sozialmoralischer Landkarten – als auch zeitdiagnostisch zusammengeführt. In dieser Hinsicht betonen die Autoren zum einen die generelle identitätsstiftende Bedeutung des BE, zum anderen heben sie typische Unterschiede sozialmoralischer Orientierungen hervor: die individualistische Ausrichtung auf angemessene soziale Positionierung (Westdeutsche) gegenüber einer Orientierung an authentischer kollektiver Praxis (Ostdeutsche).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.352.3312.315 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Michael Beetz / Michael Corsten / Hartmut Rosa / Torsten Winkler: Was bewegt Deutschland? Weinheim/Basel: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37798-was-bewegt-deutschland_45415, veröffentlicht am 20.11.2014. Buch-Nr.: 45415 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken