Skip to main content
Martina Litterst-Gabela

Normbegründungsprozesse in internationalen Organisationen. Entstehung von Völkerrechtsnormen am Beispiel der Entstehungsgeschichte der Bioethikkonvention des Europarates

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2013 (Schriften zur internationalen Politik 43); 206 S.; 79,80 €; ISBN 978-3-8300-7464-9
Diss. Budapest. – Wie entstehen durch internationale Organisationen neue Normen? Martina Litterst‑Gabela, Politikwissenschaftlerin und Diplomatin, analysiert am Beispiel der Bioethikkonvention des Europarates von 1997 die Wechselwirkungen zwischen der Herausbildung und Anwendung von Ethiknormen im Bereich der Biowissenschaft und ‑technologie. Zusammengefasst geht es ihr darum, „Elemente politischer Partizipation und öffentlicher Beteiligung bei Normerzeugungsprozessen als Maßstab für demokratische Zugangsbedingungen im internationalen politischen System und außerhalb nationalstaatlicher demokratischer Strukturen“ zu untersuchen. Sie fragt dazu auch, inwiefern die Bürger als Normadressaten über einen partizipatorischen Zugang zu solchen Verhandlungen verfügen und ob „nationale Verfassungsorgane koordinierend, steuernd oder kontrollierend“ (17) in solche Vorgänge eingebunden sind. Was den Fall der Bioethikkonvention laut Litterst‑Gabela so bedeutend macht, ist der Umstand, dass hier Konflikte zwischen individuellen Menschenrechten und Gemeinschaftsrechten offenkundig werden, die auch verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. Auf Grundlage diskurstheoretischer Überlegungen und Habermas’ Theorie des kommunikativem Handelns liefert Litterst‑Gabela zunächst den historischen Kontext für das Politikfeld der Biomedizin, das angesichts rascher wissenschaftlicher Fortschritte heute besonders zeigt, „welch eine Herausforderung Normsetzung darstellt, wenn damit zu rechnen ist, dass der politisch‑rechtliche Prozess realen Entwicklungen folgt und zukunftsweisende Gültigkeit anstreben muss“ (54). So unterliegen Wissenschaft und Forschung einer Innovationsdynamik, deren Komplexität häufig den Vorstellungshorizont der Menschen übersteigt. Diskursive Einigungsprozesse können sich dabei immer auf Präzedenzfälle – im Falle der Bioethikkonvention ist dies die EMRK – stützen, die einen Grundkonsens für weitere deliberative Prozesse bieten können. Auch wenn diese im Europarat einem „sowohl pluralistisch als auch korporatistisch organisierte[m] Verfahren“ (109) folgen, existiert dabei eine ungleiche Verteilung der Zugangschancen zu diesem Prozess. Litterst‑Gabela kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass eine frühzeitige Einbindung von nationalen Parlamenten in Normgebungsprozesse in internationalen Organisationen geboten ist, aus staats‑ beziehungsweise verfassungsrechtlichen Gründen – die Autorin nennt hier unter anderem den Art. 24 GG – jedoch derzeit an ihre Grenzen stößt. Ebenfalls denkbar – jedoch nicht näher besprochen – sind für sie transnationale Referenden, die als realistische Möglichkeit der „direktdemokratische[n] Partizipation an Normgeneseprozessen in internationalen Organisationen“ (187) präsentiert werden.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 4.3 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Martina Litterst-Gabela: Normbegründungsprozesse in internationalen Organisationen. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37829-normbegruendungsprozesse-in-internationalen-organisationen_45893, veröffentlicht am 27.11.2014. Buch-Nr.: 45893 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken