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Uwe Krüger

Schadensfall Afghanistan. Ein Krieg und seine Folgen

Bonn: Bouvier Verlag 2014; 324 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-416-03375-6
„Die Besatzer haben wie schon die Russen das Land nie verstanden“ (9): Über seine Perspektive und Gesamtbewertung des Afghanistan‑Einsatzes kurz vor dessen offiziellen Ende lässt Uwe Krüger von Beginn an keine Zweifel aufkommen. Die Besatzer sind, unschwer zu verkennen, die NATO und ihre Verbündeten im Rahmen der International Security Assistance Force. Das Nichtverstehen bezieht sich auf viele Themen und alle Ebenen: Hatte man eine Strategie zu Beginn? Verstand man die Bevölkerung, der man Demokratie bringen wollte? Verstand man überhaupt den Konflikt? Wer war der Gegner? Die Taliban? Oder die Warlords, die den Drogenanbau betrieben (wie auch die Taliban)? Und wie wollte man den Einsatz denn überhaupt beenden? Wie wollte man mit den Rückwirkungen auf Deutschland selbst umgehen, mit den Propagandaangriffen, den Anschlagsdrohungen? Und schließlich: Wie sieht die Lernkurve der westlichen Akteure, insbesondere natürlich Deutschlands, während des Einsatzes aus? Wie – und falls überhaupt – bringt man seine Afghanistan‑Erfahrungen in die aktuellen Krisenbewältigungsstrategien ein – in der Ukraine zum Beispiel? Krüger ist nicht der Erste, der die Strategie des Einsatzes kritisch hinterfragt, und er ist auch nicht der Erste, der zu dem Schluss kommt, dass die Strategie des Einsatzes, der als Solidaritätsbekundung 2001/2002 begann, bis zu seinem definierten Ende am 31. Dezember 2014 zumindest auf deutscher Seite mehr diffus als konkret zu bezeichnen sein könnte. Der Ansatz Krügers basiert auf einer strikten und vor allem transparent dokumentierten „open source“‑Recherche, wobei er sich hier nicht außerhalb des Mainstreams bewegt; wer mag, kann gemeinsam mit dem Autor die Agenturmeldungen, Kommentare und viele andere Quellen online verfolgen. Der Medienanalyst Krüger präsentiert Brüche in der Regierungskommunikation, er untersucht tatsächliche oder vermeintlich inkongruente Perzeptionen auf der politischen Entscheidungsebene, fragt nach den militärischen Interpretationen, wie sie sich in den Medien abbilden. Das Ergebnis seiner Analyse ist zwangsläufig und erwartbar keine Berliner Hofberichterstattung, allerdings kann man Krüger nicht vorwerfen, er habe sich voreingenommener, argumentativer Einseitigkeit verschrieben. Mag auch eine Medienanalyse nicht vor Fehlinterpretationen schützen (und zudem dem Vorwurf des alles überblickenden Ex‑Post‑Besser‑Wissenden Vorschub leisten): Dies diskreditiert weder Krügers Ansatz noch seine Schlussfolgerungen.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 4.414.214.222.642.68 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Uwe Krüger: Schadensfall Afghanistan. Bonn: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37837-schadensfall-afghanistan_46186, veröffentlicht am 27.11.2014. Buch-Nr.: 46186 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken