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Peter Hammerschmidt

Deckname Adler. Klaus Barbie und die westlichen Geheimdienste

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2014; 555 S.; geb., 24,99 €; ISBN 978-3-10-029610-8
Geschichtswiss. Diss.; Begutachtung: M. Müller. – Selten erhalten geschichtswissenschaftliche Qualifikationsarbeiten bereits vor ihrer Veröffentlichung eine solche Aufmerksamkeit wie das von der Rosa‑Luxemburg‑Stiftung geförderte Projekt Peter Hammerschmidts zur Nachkriegskarriere des als „Schlächter von Lyon“ berüchtigt gewordenen Klaus Barbie. Das vom Autor seinerzeit in der Presse publikumswirksam aufbereitete Bemühen um den Zugang zu bisher unter Verschluss gehaltenen Aktenbeständen staatlicher deutscher Stellen wird auch vom Verlag in einem sensationsheischenden Klappentext verarbeitet. Hammerschmidt konnte für seine Arbeit dank beeindruckender Rechercheleistungen auf eine Reihe zuvor nicht ausgewerteter Quellen zurückgreifen. Dazu gehören eben die BND‑ und BfV‑Akten Barbies, aber auch dessen lange verschollenes Memoirenmanuskript, der umfangreiche Nachlass eines CIA‑Mitarbeiters, der in der Nachkriegszeit mit der Aufsicht über den BND‑Vorläufer Organisation Gehlen beauftragt war, und die Protokolle der Zeugenvernehmungen des Barbie‑Prozesses in den 1980er‑Jahren. In kurzen Kapiteln geht es um Barbies Jugend und Kindheit, seine Karriere bis 1945, den Gerichtsprozess gegen ihn nach seiner Auslieferung aus Bolivien nach Frankreich und seine Verbindungen zu anderen ehemaligen Nationalsozialisten. Im Zentrum der Untersuchung stehen seine Verbindungen zum US‑Geheimdienst CIC zwischen 1945 und 1951 sowie seine Zeit als „Klaus Altmann“ in Bolivien zwischen 1951 und 1983 – dies alles unter fortgesetzter US‑amerikanischer Protektion trotz französischer Auslieferungsersuche. Barbie war dabei unter anderem für die Regime von René Barrientos Ortuño und Hugo Banzer Suárez tätig und stand, zwischen Mai und Dezember 1966, eben auch auf der Gehaltsliste des BND. Hammerschmidt gelingt es, die Darstellung des bisweilen legendenumwitterten Leben Barbies auf eine faktengesättigte Grundlage zu stellen, die der Ausgangspunkt aller weiteren Beschäftigung mit der Person werden dürfte. Er liefert damit wertvolle Bausteine zur Beantwortung der Frage, „wie westliche Nachrichtendienste während des Kalten Krieges agierten und auf welcher Grundlage sich die Rekrutierung ehemaliger NS‑Funktionsträger durch diese Dienste vollzog“ (13) sowie zu dem Problem der ethisch‑moralischen Grundlagen geheimdienstlichen Arbeitens in demokratischen Systemen. Diese Aspekte scheinen analytisch um einiges Ertrag versprechender als die immerwährende Skandalisierung der sattsam bekannten Tatsache, dass mit dem Mai 1945 eben nicht alle Nazis vom Erdboden verschwunden waren.
{MUN}
Rubrizierung: 2.32.3122.3132.612.642.652.212.252.35 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Peter Hammerschmidt: Deckname Adler. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37913-deckname-adler_46105, veröffentlicht am 18.12.2014. Buch-Nr.: 46105 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken