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Mark Blyth

Wie Europa sich kaputtspart. Die gescheiterte Idee der Austeritätspolitik. Aus dem Englischen von Boris Vormann

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2014; 349 S.; brosch., 26,- €; ISBN 978-3-8012-0457-0
Seit 2009 müssen mehrere Staaten der Eurozone mit schwierigen öffentlichen Finanzen und prekären Refinanzierungsbedingungen zurechtkommen. Unabhängig von den konkreten Situationen in den betroffenen Staaten ist das angebotene Prinzip zur Verbesserung immer dasselbe: Austerität in Form der Reduzierung öffentlicher Ausgaben. Dass dieses Prinzip fehlgeleitet ist, weil es die bestehenden Probleme nicht löst, sondern verschlimmert, zeigt Mark Blyth, Professor für Internationale Politische Ökonomie an der Brown University in Providence. Blyths Argument ist dabei zweigeteilt – er stellt fest, dass die Krise in politischen Debatten fälschlicherweise mit Verschwendung in öffentlichen Haushalten und nicht mit riskanten Geschäftspraktiken im privaten Finanzsektor begründet wird und dass sich Austerität als politische Idee schon bei liberalen Vordenkern wie Locke und Smith zeigt und seitdem im angelsächsischen und deutschen politischen Diskurs als vernünftig scheinende Position fest etabliert ist. Nach einem ausführlichen ideengeschichtlichen Teil, in dem auch das zeitgeschichtliche Umfeld der vorgestellten Denker angemessen berücksichtigt wird, zeigt Blyth mit Verweis auf die 1920er‑ und 1930er‑Jahre, welche ruinösen Folgen Austeritätspolitik zu jener Zeit hatte – ein Beispiel dafür ist, dass französische Zentralbanker bis ins Kriegsjahr 1940 trotz der realen deutschen Bedrohung eine Kürzung des Militärbudgets forderten. Die Stärke von Blyths Analyse liegt in der sorgfältigen und eindeutigen Darstellung der inneren Widersprüche der Austeritätspolitik, die auf falsch angenommenen Kausalitäten und einer selektiven wirtschaftswissenschaftlichen Interpretation sozioökonomischer Daten beruhen. Blyth räumt zwar ein, dass niedrige Staatsschulden durchaus ein vernünftiges Ziel sind, gerade für die derzeitige Bearbeitung der Krise stellt er jedoch heraus, dass es unrealistisch ist, auf Wachstum und niedrigere Staatsschuldenstände zu hoffen, wenn alle Staaten der EU aufgefordert sind, öffentliche Ausgaben zurückzufahren. „Austerität funktioniert ganz offenkundig nicht.“ (26) Diese Erkenntnis wird schon früh erwähnt und im weiteren Verlauf minutiös belegt. Das Buch ist damit ein gehaltvoller Beitrag zur aktuellen Krisendebatte.
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Rubrizierung: 3.5 Empfohlene Zitierweise: Max Lüggert, Rezension zu: Mark Blyth: Wie Europa sich kaputtspart. Bonn: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37924-wie-europa-sich-kaputtspart_46426, veröffentlicht am 18.12.2014. Buch-Nr.: 46426 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken