Skip to main content
Anne K. Krüger

Wahrheitskommissionen. Die globale Verbreitung eines kulturellen Modells

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014; 237 S.; kart., 36,90 €; ISBN 978-3-593-50185-7
Sozialwiss. Diss. Berlin; Begutachtung: K. Eder. – Seit den 1980er‑Jahren hat sich mit den Wahrheitskommissionen eine Methode etabliert, mit der nach einem politischen Umbruch Menschenrechtsverletzungen aufgearbeitet werden können. Es verfestigte sich die staatlich „praktizierte offizielle Wahrheitssuche als eigenständige Organisation“ (10), so Anne K. Krüger. In ihrer Arbeit konzentriert sie sich auf die Frage, warum sich „gerade Wahrheitskommissionen zu einem solchen Aufarbeitungsstandard entwickelt [haben], der sich weltweit über politische und kulturelle Unterschiede hinweg verbreitete“ (14). Krüger untersucht die Genese neuer Organisationsformen sowie die Diffusionsprozesse, die zu ihrer Adaption führen, um damit Wahrheitskommissionen als globales Phänomen fassbar zu machen. Der Ausgangspunkt liegt in den Militärdiktaturen Lateinamerikas der 1970er‑ und 1980er‑Jahre. Das Schicksal der Desaparecidos, der verschwundenen Opfer der Regime, wurde im Transitionsprozess „zu einem wesentlichen Kristallisationspunkt für gesellschaftliche Forderungen, die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen“ (34). Im Folgenden führt Krüger diverse Beispiele national oder transnational eingesetzter Kommissionen als Beleg für die globale Diffusion dieser Organisationsform auf, ausgehend von Argentinien über Chile, Südafrika und Osttimor bis Südkorea. Gemeinsam ist ihnen der zivilgesellschaftliche Druck, der ihre Einsetzung beförderte. Die politischen Umbrüche der 1990er‑Jahre führten außerdem zu einer gesteigerten politischen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, wovon eine Vielzahl internationaler Konferenzen zum Umgang mit Tätern und Opfern von Menschenrechtsverletzungen zeugt. Laut Krüger liegt hierin ein wichtiger Grund für die globale Adaption der Kommissionen: „Die narrative Einbettung von Wahrheitskommissionen in ein transitional justice‑Narrativ bildete damit die Grundlage für die [...] Phase ihrer Diffusion, in der sich die formalisierte Organisation [...] zu einem Standardinstrument der transitional justice entwickeln konnte.“ (199). Neben einer detaillierten Untersuchung der Hintergründe und Auswirkungen von Wahrheitskommissionen gelingt der Autorin so eine verständliche Analyse von Diffusionsprozessen als kollektiven Lernprozessen.
{SWI}
Rubrizierung: 2.212.232.612.3152.324 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Anne K. Krüger: Wahrheitskommissionen. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38322-wahrheitskommissionen_46304, veröffentlicht am 23.04.2015. Buch-Nr.: 46304 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken