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Hans G. Nutzinger / Herwig Unnerstall / Gotlind Ulshöfer (Hrsg.)

Ökonomie Nach-Denken. Zur Aktualität von John Stuart Mill

Marburg: Metropolis-Verlag 2014; 193 S.; 22,80 €; ISBN 978-3-7316-1078-6
Ausgehend von der Diagnose, dass der aufgeklärte Liberalismus John Stuart Mills im deutschen Sprachraum zu Unrecht nur wenig Beachtung findet, unternehmen die Autor_innen in diesem Sammelband den Versuch, dessen Überlegungen zur Begrenzung ökonomischen Wachstums und zur Organisation demokratischer Herrschaft für eine gegenwartsdiagnostische Debatte zu erschließen. Dabei schwanken die Beiträge zwischen zwei Richtungen: Einerseits geht es um theorieimmanente Fragen, wie beispielsweise die Angemessenheit von Übersetzungen und die Auslegung zentraler Begriffe; andererseits wird versucht, im Sinne einer Transferleistung Mills politisches wie ökonomisches Denken auf die Problemlagen kapitalistischer Gegenwartsdemokratien – etwa die Frage nach den Grenzen von Wachstum – anzuwenden. Michael S. Aßländer beleuchtet in seinem ideengeschichtlich akzentuierten Beitrag die Gründe dafür, warum im Zuge der Aufklärung die Analyse ökonomischer und politischer Zusammenhänge eine so bedeutsame Rolle zu spielen begann. Die wesentliche Ursache hierfür sieht Aßländer in einem veränderten Selbstverständnis des Menschen, der sich fortan als (eigen‑)verantwortlicher Gestalter seines gesamten Lebensumfeldes wahrgenommen habe. In diesem Kontext, in dem Politik und Wirtschaft zu einer Gestaltungsaufgabe avanciert seien, sieht er Mills Verdienst darin, durch die systematische „Erforschung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten“ (35) wie auch durch seine spezifische Haltung im Sinne einer, wie Dieter Birnbacher betont, „philosophie engagée“ (44) zur Etablierung der Ökonomie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin beigetragen zu haben. Dass Mills Denken auch heute noch relevante Denkanstöße zu liefern vermag, zeigt Ulrich Hampicke, der ihn als „den Vorläufer der heutigen Ökologischen Ökonomie“ (61) zu rekonstruieren versucht. Die Ökologische Ökonomie, die Knappheit ebenso wie externe Effekte als zentrale Größen ihrer Überlegungen berücksichtige, sei sich der Tatsache sehr bewusst, dass das sprichwörtliche grenzenlose Wachstum, selbst wenn es sich unter völliger Ausbeutung aller verfügbaren Ressourcen realisieren ließe, einem bestmöglichen Leben aller Menschen nicht zuträglich sei. Mill, so ist sich Hampicke sicher, würde diese Einschätzung aus seiner utilitaristischen Perspektive heraus unbedingt geteilt haben. Die Beiträge des Bandes gehen zurück auf einen Workshop, der im November 2013 unter dem Titel „Ökonomie Nach‑Denken“ an der Evangelischen Akademie Hofgeismar stattfand.
{LEM}
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Hans G. Nutzinger / Herwig Unnerstall / Gotlind Ulshöfer (Hrsg.): Ökonomie Nach-Denken. Marburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38443-oekonomie-nach-denken_46701, veröffentlicht am 21.05.2015. Buch-Nr.: 46701 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken