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Paul Nolte

Demokratie. Die 101 wichtigsten Fragen

München: C. H. Beck 2015; 160 S.; 10,95 €; ISBN 978-3-406-67368-9
„Selten war irgendwann in der Geschichte so viel von Demokratie die Rede wie heute“ (154), schreibt der Berliner Zeithistoriker Paul Nolte: Demokratie sei nicht nur ein Regierungssystem, ein Schema von Institutionen und Verfahren, sondern zu einem globalen Sehnsuchtsraum und Erwartungshorizont geworden, also häufig auch Verheißung und Erwartung. Wie es dazu kommen konnte, wie sich also Konzeptionen der Demokratie entwickelten und was unter Demokratie eigentlich zu verstehen ist – diesen Fragen nähert sich Nolte thematisch breit gefächert. Angesichts der Bedeutung des altgriechischen kratein, „herrschen, Macht ausüben“ (15), habe das Wort Demokratie etwas Sperriges, Unbequemes an sich. Erst im 20. Jahrhundert habe der immer wieder umstrittene Begriff eine unzweifelhaft positive Bedeutung angenommen und eine „zunehmend globale Karriere“ (15) gemacht. In Deutschland seien liberale und demokratische Bewegungen bis in das 20. Jahrhundert von starken gesellschaftlichen Gegenkräften bekämpft worden: Ein am Ende des Kaiserreichs und während des Ersten Weltkrieges ausgeprägtes „Sonderbewusstsein im Bürgertum und anderen Eliten“ (69) für die „vermeintlich höhere deutsche Kultur“ (123) habe der Weimarer Republik das Leben schwer gemacht und die Unterstützung für den Nationalsozialismus gespeist. Den Deutschen sei Demokratie nach 1945 daher „nicht nur als unabweisbarer Fortschritt, als Sieg des Guten über das Böse, sondern zugleich als eine Art Heiliger Gral“ (56) erschienen. Zugleich, so Nolte, gebe es keine endgültige Ankunft in der Demokratie. Sie verändere sich, nehme unterschiedliche „Aggregatzustände“ an; ihre Geschichte, aber auch das Engagement in ihr sei „Sisyphusarbeit“ (56). In dieser Geschichte kämen auch extreme Rückschläge und Verwerfungen wie Kolonialismus und Rassismus, Krieg und Völkermord vor. Angesichts der Zunahme militärischer Interventionen und der damit verbundenen Dilemmata in den vergangenen 25 Jahren hält er Vertreter_innen des „demokratischen Friedens“ skeptisch die Frage entgegen, ob es in der Demokratie überhaupt einen Vorrang der Friedfertigkeit gebe. Dieser Frage sind Politikwissenschaftler_innen in den vergangenen zwanzig Jahren allerdings auch schon nachgegangen. Dennoch: Die ausgewogene und streitbare Argumentation macht Noltes Buch zu einem interessanten Beitrag zur politischen Bildung – und damit zum demokratischen Diskurs.
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Rubrizierung: 2.25.415.314.422.322.312.33.22.684.452.23 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Simon, Rezension zu: Paul Nolte: Demokratie. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38602-demokratie_46978, veröffentlicht am 02.07.2015. Buch-Nr.: 46978 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken