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Harald Seubert

Gesicherte Freiheiten. Eine politische Philosophie für das 21. Jahrhundert

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015; 459 S.; 98,- €; ISBN 978-3-8487-1682-1
Welche Politische Philosophie könnte für das 21. Jahrhundert – das immer noch in seinen Kindertagen steckt – angemessen sein? Harald Seubert unternimmt in einer überaus detailreichen, ebenso theorie‑ wie philosophiegeschichtlichen Retrospektive den Versuch, die aus seiner Sicht zu sehr auf Fragen der „Legitimierung von Herrschaft oder normative Fragen“ verengte Politische Philosophie der Gegenwart an die rapiden Transformationen des 21. Jahrhunderts anzupassen: „Das Diktum von Alexis de Tocqueville, eine neue politische Lage erfordere auch eine neue Politische Philosophie, trifft offensichtlich auf die Jahre seit Beginn des neuen Jahrtausends in besonderer Weise zu.“ (13) Insgesamt, so Seubert, würden angesichts einer ebenso globalisierten wie polyzentrischen Weltinnenpolitik, die an einen „Weltbürgerkrieg“ erinnere, die Zeiträume schrumpfen, in denen Politik reflektiert und entscheidungsfähig gemacht werden könne. Angemessen reflektiert und entscheidungsfähig könne eine zeitgemäße Politische Philosophie nur dann sein, wenn sie lange vernachlässigte oder ausgegrenzte Teilbereiche wieder zu integrieren vermag. Allen voran nennt Seubert hier die „Ideologie‑ und Gesellschaftskritik“ (15). Allerdings ist fraglich, wo der Ort für derlei zweifelsohne notwendige Kritik liegt. Denn in dem Maße etwa, in dem durch die gegenwärtige Entwicklung des Internets wenn nicht die politische, so doch wenigstens signifikante Teile der kommunikativen Öffentlichkeit zunehmend „strukturlos“ (434) würden, schwinde auch deren Kapazität zum „öffentlichen Vernunftgebrauch“ (435), wie er für eine funktionierende Demokratie unabdingbar sei. Ob es in dieser Lage für die Politische Philosophie, die eines, wie Seubert es formuliert, „scharf umgrenzten Begriffes“ bedarf, tatsächlich förderlich ist, sich nicht „in eine zu große Nähe zu den unmittelbaren politischen Diskursen bringen [zu] lassen“ (416), scheint fraglich. Gerade wenn auch schon maßgebliche politikwissenschaftliche Fachvereinigungen eine fehlende öffentliche Resonanz beklagen und sich – zumindest tentativ – wieder auf die Figur des öffentlichen Intellektuellen besinnen, scheint der andere Weg, nämlich in die Öffentlichkeit, in die Welt hinein, erfolgversprechender. Was dann von Seuberts Ansatz immerhin bliebe, ist der weniger pessimistische, sondern vielmehr bescheidene Anspruch an eine zeitangemessene Politische Philosophie, wenigstens ein „fragiles Gleichgewicht“ (439) mitgestalten zu können.
{LEM}
Rubrizierung: 5.15.35.42.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Harald Seubert: Gesicherte Freiheiten. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38924-gesicherte-freiheiten_46999, veröffentlicht am 01.10.2015. Buch-Nr.: 46999 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken