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Michael Lüders

Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet

München: C. H. Beck 2015; 175 S.; brosch., 14,95 €; ISBN 978-3-406-67749-6
Michael Lüders, ehemaliger Nahost‑Redakteur der ZEIT und promovierter Politik‑ und Islamwissenschaftler, versucht sich an einer Gesamtbetrachtung westlicher Interventionen im Nahen und Mittleren Osten und ihrer Folgen. Für ihn gibt es zwei Hauptgründe für die Krisen in der Region: die regionalen Machthaber, die allein Klientelinteressen bedienten, und die „seit kolonialen Zeiten betriebene westliche Einflussnahme“ (10). Letzterer Faktor steht dabei eindeutig im Vordergrund seiner Betrachtung. In knappen Episoden, die vom Sturz Mohammed Mossadeghs und der islamischen Revolution im Iran über den Aufstieg Al Kaidas, den Irak‑Feldzug von 2003 und seine Folgen bis hin zum syrischen Bürgerkrieg und der Entstehung des Islamischen Staates führen, zeigt Lüders die Folgen westlicher Einmischungs‑ und Interessenspolitik auf. Prägend ist hier – wie auch für das gesamte Buch – ein zynischer Unterton, der Lüders Vorwurf von Naivität, Heuchelei oder Unvermögen westlicher Staaten angesichts der Komplexität der historisch bedingten, politisch‑gesellschaftlichen Dynamiken begleitet. Stellenweise steigert der Autor dies ins Abstruse. So versteigt er sich unter anderem zu der Aussage, es sei ein Treppenwitz der Geschichte, dass der 1998 erfolgte amerikanische Cruise‑Missile‑Angriff auf Ausbildungslager der Organisation, die später als Al Kaida bekannt werden sollte, als Reaktion auf die Bombenanschläge auf die US‑Botschaften in Kenia und Tansania auch aus innenpolitischen Gründen erfolgt sei: „Hätte Clinton auf die Affäre mit seiner Praktikantin verzichtet, wären den Amerikanern möglicherweise 3.000, den Irakern und Afghanen Hunderttausende tote Zivilisten erspart geblieben“ (36). Am Ende verlange die „neue Unübersichtlichkeit [...] nach Diplomatie, Interkulturalität und Pragmatismus“. Nach Lüders deutet allerdings nichts darauf hin, dass „die Regierenden und Meinungsmacher in westlichen Staaten die Zeichen der Zeit verstanden hätten“ (171). Er fordert abschließend eine Politik des Westens, die ihre Werteorientierung ernst nimmt, inklusive Anklage von George W. Bush & Co. vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Lüders Buch reiht sich ein in die stetig anwachsende Zahl an Publikationen, die Erklärungsversuche der katastrophalen Entwicklungen der Regionen anbieten. Jenseits der ausführlichen Beschreibung und Anklage der destruktiven westlichen Umtriebe kommt dabei allerdings die Ursachendynamik zu kurz und die Eigenverantwortung der Regime der Region für deren Zustand wird vernachlässigt.
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Rubrizierung: 4.222.632.642.254.41 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Michael Lüders: Wer den Wind sät. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38969-wer-den-wind-saet_46976, veröffentlicht am 15.10.2015. Buch-Nr.: 46976 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken