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Max-Christopher Krapp / Sylvia Pannowitsch / Hubert Heinelt

Wissenspolitik und politischer Wandel. Zur Bedeutung veränderter Wissensordnungen für die deutsche und britische Arbeitsmarktpolitik

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015; 222 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8487-1627-2
In den 1990er‑Jahren haben in Deutschland wie in Großbritannien erhebliche Veränderungen im Zuschnitt der Arbeitsmarktpolitik stattgefunden; die sogenannten Hartz‑Reformen hier und der „New Deal“ dort verstärkten den auch andernorts zu beobachtenden Trend einer marktkonformen Liberalisierung des Förderinstrumentariums. Die Autor_innen setzen sich mit diesen beiden Formen eines Policy‑Wechsels im Rahmen eines wissenspolitologischen Ansatzes auseinander, der der Relation von Wissen und (fach‑)politischen Entscheidungen hohe Bedeutung zuschreibt. Dabei greifen sie auf das Konzept von Wissensordnungen zurück, mit denen durch diskursive und institutionelle Regelungen spezifische Arten von Wissen gesellschaftlich als entscheidungsrelevant anerkannt und ihnen Evidenzen in kognitiver oder normativer Hinsicht zugesprochen werden. Erst durch eine grundlegende Veränderung einer Wissensordnung – so die zentrale These – „kommt es auch zu einem paradigmatischen Policy‑Wandel“ (19), wobei diese Veränderung Ergebnis wissenspolitischer Interventionen sein kann, aber nicht sein muss. Empirisch beruht die Arbeit – neben der Auswertung einschlägiger Policy‑Dokumente – einerseits auf der Inhaltsanalyse von Parlamentsdebatten, andererseits auf 32 leitfadengestützten Interviews mit politischen, administrativen und wissenschaftlichen Akteur_innen. Eine besondere Stärke der Studie ist der Ländervergleich des Policy‑Wandels – zunächst deskriptiv auf Instrumentenebene und anschließend sehr differenziert als Analyse der Entwicklungen der Wissensordnungen der deutschen beziehungsweise britischen Arbeitsmarktpolitik. In der Interpretation werden zwei Befunde hervorgehoben. In Deutschland habe sich mit den Hartz‑Reformen tatsächlich ein paradigmatischer Politikwechsel ereignet, während der britische Fall eher für inkrementelle, pfadabhängige Veränderungen stehe. Mit diesen Unterschieden korrespondierten Typen der Wissenspolitik: hier der instrumentelle Typus, der politisch vorab definierte Politikziele realisieren wolle, und dort der reflexive Typus, der hauptsächlich auf eine Verbesserung der Wissensgrundlagen politischer Entscheidungen gerichtet sei. Wenn aber Deutschland in dieser Phase wirkungsvoll instrumentelle Wissenspolitik betrieben hat, dann hätte der arbeitsmarktpolitische Politikwechsel vielleicht doch noch stärker hegemonietheoretisch interpretiert werden können als hier geschehen.
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Rubrizierung: 2.2622.3422.61 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Max-Christopher Krapp / Sylvia Pannowitsch / Hubert Heinelt: Wissenspolitik und politischer Wandel. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39124-wissenspolitik-und-politischer-wandel_47357, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 47357 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken