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Holger Straßheim / Tom Ulbricht (Hrsg.)

Zeit der Politik. Demokratisches Regieren in einer beschleunigten Welt

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Leviathan Sonderband 30/2015); 293 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8487-2344-7
Eine theoretisch fundierte und methodisch differenzierte Analytik des vielschichtigen Verhältnisses von Zeit und Politik zu befördern, ist das übergreifende Anliegen des Bandes, der eine im Juli 2013 am Wissenschaftszentrum Berlin abgehaltene Konferenz anlässlich des 60. Geburtstages von Friedbert Rüb dokumentiert. Auf der Grundlage der einenden Annahme von „Zeit als politischer Variable“ (23) sind darin, sowohl disziplinär als auch hinsichtlich der Gegenstände, mitunter sehr heterogene Beiträge versammelt. Neben theoretisch‑systematischen Konzeptionalisierungen finden sich etwa Untersuchungen zur Rolle von politischer Zeit(lichkeit) am Beispiel lokaler Klimapolitiken, der Bologna‑Reform oder des Westminster‑Parlamentarismus. Eine sich zumindest untergründig durchziehende Thematik ist fraglos die der Zeit als Machtfaktor im Politischen, wie sie pointiert von Wolfgang Merkel und Andreas Schäfer in Abwandlung des Schmitt‘schen Diktums aufgerufen wird: „Souverän ist, wer über die Zeit verfügt.“ (236) Programmatisch ist in dieser Hinsicht der Beitrag von Claus Offe, der systematisch den Möglichkeiten von Zeit als Medium sozialer und politischer Macht nachgeht. Die auch von Offe behandelte These von den „demokratieanalytischen Implikationen“ (219) sozialer Beschleunigung wird im Beitrag von Merkel und Schäfer auf den Prüfstand gehoben und in ihrem weitreichenden Diagnoseanspruch als zu undifferenziert zurückgewiesen, weshalb sie politikfeldspezifischere Analysen anmahnen. Als grundierender Beitrag dazu kann die aufwendig erarbeitete Forschungsheuristik von Henning Laux und Hartmut Rosa gelten, die zudem ein mehrdimensionales, qualitativ‑empirisches Forschungsdesign zur politikfeldsensiblen Erkundung unterschiedlich gelagerter Desynchronisationsprozesse präsentieren. Aus einer ganz anderen Richtung widmet sich Ina Kerner dem Macht‑Zeit‑Komplex. Kenntnisreich setzt sie sich einerseits mit den vielfältigen Facetten von Zeit als zentralem Instrument zur Zementierung (neo)kolonialer Herrschaft auseinander und stellt andererseits anhand beispielhafter Studien aus der postkolonialen Forschung Stärken und Schwächen kulturrelativistischer und historisierender Strategien zu deren Dechiffrierung dar. Was auf einer Konferenz vermutlich besser als in einem Band gelingen kann, ist der von den Herausgebern erhobene Anspruch, „die verschiedenen Debattenstränge zum Zusammenhang von Zeit und Politik in einen Dialog zu bringen“ (14). Mit den versammelten Beiträgen gelingt es ihnen aber zumindest, die Grundlagen für einen solchen künftigen Dialog bereitzustellen.
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Rubrizierung: 1.32.25.413.52.212.612.341 Empfohlene Zitierweise: Paul Sörensen, Rezension zu: Holger Straßheim / Tom Ulbricht (Hrsg.): Zeit der Politik. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39136-zeit-der-politik_47798, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 47798 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken