Lange hat die Politikwissenschaft die Erkenntnisse der Persönlichkeits‑ und Sozialpsychologie weitgehend ignoriert. Inzwischen werden psychologische Aspekte bei der Erforschung des Verhaltens von Bevölkerungsteilen sowie der politischen Eliten stärker berücksichtigt – wie sich etwa am Umgang mit dem Framing‑Begriff bei der Analyse politischer Kommunikation zeigt. Mit diesem Sonderheft versucht die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) den Fachdiskurs weiter voranzutreiben. Der Sammelband spiegelt dabei die enorme Heterogenität des Forschungsspektrums wider. Es reicht von dem Stellenwert einzelner Persönlichkeitsmerkmale (zum Beispiel hinsichtlich der Parteibindung oder der Führungsqualitäten) über Fragen der kognitiven und emotionalen Verarbeitung politischer Informationen bis zu sozialpsychologischen und gruppendynamischen Konstellationen. Auch die Teilbereiche der Internationalen Beziehungen sowie der Politischen Theorie werden berührt. Eindrucksvoll sind beispielsweise die Ausführungen Dorothea und Tino Prells zu den Möglichkeiten bildgebender Verfahren der Neurowissenschaften. Wenngleich solche Analysen der Prozesse bestimmter Hirnareale mitunter ‚nur‘ bestätigende Erkenntnisse für Politikwissenschaftler liefern, bleibt ihr Wert aufgrund ihrer Objektivität beträchtlich. Demokratietheoretisch relevant sind etwa die Überlegungen von Marco R. Steenbergen zum demokratischen Dilemma. Demnach könnten vor allem Emotionen dabei eine motivierende Rolle spielen, wenn Bürger trotz eher geringen politischen Interesses gute Entscheidungen treffen. Die Beiträge zeigen insgesamt eindrücklich: Ob es um extremistische Einstellungen geht, um Parteibindung oder Wahlkampfkommunikation – faktisch bleiben politikwissenschaftliche Analysen und Interpretationen unvollständig, wenn sie nicht die psychologischen Aspekte berücksichtigen.