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Filippo Focardi

Falsche Freunde? Italiens Geschichtspolitik und die Frage der Mitschuld am Zweiten Weltkrieg. Übersetzt von Antje Peter

Paderborn: Ferdinand Schöningh 2015; 352 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-506-78118-5
Diss. Turin; Begutachtung: B. Mantelli, N. Tranfaglia. – Am Zweiten Weltkrieg hatte Italien an der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands teilgenommen, zahlreiche Staaten angegriffen und sich in besetzten Ländern auch der Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung schuldig gemacht. Erst mit dem Waffenstillstand vom September 1943 beendete es dieses Bündnis. Wie ist Italien in seiner Nachkriegszeit mit dieser Geschichte umgegangen? Dieser Frage geht Filippo Focardi nach. Als dominierendes Erinnerungsnarrativ arbeitet er die Vorstellung von den „bösen Deutschen“ und den „guten Italienern“ heraus: „Man betonte die Unschuld des italienischen Volkes, indem man den Deutschen die vollständige Verantwortung für Krieg und Verbrechen aufbürdete und die Erinnerung an die Resistenza zur nationalen Erzählung schlechthin machte.“ (10) Die eigene Beteiligung am faschistischen Regime wird demnach ebenso ausgeblendet wie die zahlreichen Verbrechen, die von italienischen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs vor allem auf dem Balkan begangen wurden. Der Autor fragt nach den Hintergründen für diese Deutung. Wann und wie ist dieses Narrativ entstanden, wer war an der Konstruktion beteiligt und welche Gründe gab es dafür? Das Fundament für das bis heute präsente Narrativ der „guten Italiener“ und „bösen Deutschen“ wurde, so zeigt die Analyse, in der unmittelbaren Nachkriegszeit und im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen gelegt. Als Bezugsrahmen der Erinnerungskonstruktion diente dabei die Propaganda der Alliierten. Als Hauptgrund für diese Entwicklung hält Focardi fest: „Sie alle – die Antifaschisten an der Regierung, die Antifaschisten in der Opposition, der kaum gesäuberte Staatsapparat – stimmten darin überein, das Schicksal des besiegten, aber mitkriegführenden Italiens von dem des nationalsozialistischen Deutschlands, das bis zuletzt zum Führer gestanden hatte und die strengsten Sanktionen durch die Siegermächte verdiente, zu trennen.“ (234) Das diente dem Schutz nationaler Interessen, der militärischen Abrüstung und der politischen Selbstlegitimierung, wie der Autor plausibel zeigt.
{JBU}
Rubrizierung: 2.612.23 Empfohlene Zitierweise: Jessica Burmester, Rezension zu: Filippo Focardi: Falsche Freunde? Paderborn: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39353-falsche-freunde_47837, veröffentlicht am 04.02.2016. Buch-Nr.: 47837 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken