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Michael Brie

Polanyi neu entdecken. Das hellblaue Bändchen zu einem möglichen Dialog von Nancy Fraser und Karl Polanyi

Hamburg: VSA 2015 (Beiträge zur kritischen Transformationsforschung 1); 174 S.; 10,- €; ISBN 978-3-89965-642-8
Nicht erst im Zuge der globalen Finanz‑ und Wirtschaftskrise, die seit 2008/2009 nach wie vor das globale Wirtschaftsgeschehen prägt, erfahren die Schriften von Karl Polanyi eine Renaissance – insbesondere unter Vertretern der (kritischen) Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ). Eine dieser Auseinandersetzungen mit dem Werk des ungarisch‑österreichischen Wirtschafts‑ und Sozialwissenschaftlers stellt Michael Bries Dialogbuch dar, das – ebenso mutig wie Polanyi selbst in seiner Zusammenführung von Erkenntnissen aus unterschiedlichen Disziplinen – einen fiktiven Dialog zwischen Polanyi und Nancy Fraser skizziert. Letztere ist eine der bekanntesten US‑amerikanischen Feministinnen. In seinem Hauptwerk „Die große Transformation“, auf das Brie hier in seinen neun Dialogsequenzen immer wieder zurückgreift, hatte Polanyi den Kapitalismus als eine Zivilisation untersucht, in der die Gesellschaft den Zwangstendenzen sich selbstregulierender Märkte unterworfen wird. Frasers Interesse an Polanyi liegt in der Verknüpfung von dessen Gesellschaftsanalyse mit der Begründung eines neuen Bündnisses von Kräften der Emanzipation und des Schutzes von Natur und Gesellschaft. Brie verbindet die Texte beider Autoren und will dabei zunächst mit Fehlinterpretationen des Werkes von Polanyi aufräumen, indem er unter anderem dessen Freiheitsverständnis in Abgrenzung zum Faschismus herausarbeitet. Im zweiten Teil werden dann durch die Gegenüberstellung der Texte ein Weg von der Marktgesellschaft zu einer solidarischen Gesellschaft und die dafür erforderliche Transformationen der Gesellschaft skizziert. Der Band enthält im Anhang verschiedene Originaltexte von Fraser und Polanyi, die es den Leser_innen ermöglichen, sich selbst in deren Werke zu vertiefen. Der Versuch dieser Gegenüberstellung überzeugt auch deshalb, da er aufgrund eines direkten Austauschs zwischen Brie und Fraser praktisch legitimiert ist und Fraser selbst ihr eigenes Denken aktiv im Werk Polanyis spiegelt. Insofern ist es dem Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa‑Luxemburg‑Stiftung gelungen, im dringend erforderlichen intellektuellen Ringen um eine bessere und zukunftsfestere Marktordnung „alte“ und gegenwärtige Überlegungen zusammenzuführen und den Leser_innen eine zum Weiterdenken anregende Lektüre zu offerieren.
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Rubrizierung: 5.465.42 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Michael Brie: Polanyi neu entdecken. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40032-polanyi-neu-entdecken_46886, veröffentlicht am 25.08.2016. Buch-Nr.: 46886 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken