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Michael Thomas / Ulrich Busch (Hrsg.)

Transformation im 21. Jahrhundert. Theorien – Geschichte – Fallstudien. 2. Halbband

Berlin: trafo Wissenschaftsverlag 2015 (Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften 39 – 2. Halbband); 317 S.; 34,80 €; ISBN 978-3-86464-089-6
Mit der 39. Ausgabe der Abhandlungen der Leibniz‑Sozietät wird versucht, eine Gegenwartsdiagnose ebenso wie eine Prognose zu Formen, Strukturen und Prozessen des mannigfaltigen gesellschaftlichen Wandels zu liefern, der die erste Dekade des 21. Jahrhunderts ausgemacht hat. In diesem zweiten Halbband liegt der Schwerpunkt auf der Geschichte und den zeitgenössischen Verläufen und Konstellationen von Transformation (zum ersten Halbband siehe Buch‑Nr. 47447). Hans Wagner (1929‑2012) bietet eine kritische Zusammenschau von kapitalistischer Produktionsweise und sozialer Marktwirtschaft. Dies bietet derzeit, mit Blick auf Deutschland, wenig Erquickliches: „Heute fährt der deutsche Staat in trauter Gemeinschaft mit dem globalisierten Kapital den einst hoffnungsvollen ersten Versuch eines industriellen Gemeinwesens und Gemeinsinns unter dem Druck der globalen Krise radikal auf den kleinstmöglichen Nenner oder Schlimmeres zurück.“ (406) Was als Projekt gegen den Feudalismus begonnen habe, drohe angesichts des derzeitigen „Deregulierungswahns“ (418) jeglichen emanzipatorischen Impetus zu verlieren: „Fazit: Die Ökonomie der industriellen Produktionsweise forciert eine innere Tendenz, sich selbst zu untergraben und damit unmöglich zu machen.“ (419) Um dabei nicht völlig in Schwarzmalerei zu verfallen, hebt Wagner zum Ende seines Beitrages noch einmal – unter Rückgriff auf eine Begrifflichkeit von Ferdinand Tönnies – hervor, dass Gesellschaft immer auch Gemeinschaft brauche. Eine Pluralität individueller Egoisten werde weder als Gesellschaft noch als Gemeinschaft, allerhöchstens vielleicht als Masse funktionieren. Helga Schulz geht in ihrem Aufsatz dem Begriff des Sozialstaates nach, dessen Umbau gegenwärtig allerorten als alternativlos angesehen werde. Aber, so fragt sie, beschädige gerade der Rückbau von Sozialleistungen nicht den Sozialstaat in seinem Kern? Und sie kommt zu dem Schluss: „Wenn der auf Gleichheit zielende Sozialstaat aufgegeben wird, wenn die Solidarität zugunsten individueller Initiative fahren gelassen wird, steht es nicht mehr gut um die Demokratie.“ (402) Dem ist – leider – beizupflichten, obschon keiner der Beiträge plausibilisieren kann, wieso es der demokratischen Gemeinschaft in all ihrer Zersplitterung und angesichts massiver ökonomischer Abstiegssorgen überhaupt noch gelingen können soll, an solch „abwegige“ Dinge wie politische Teilhabe zu denken.
{LEM}
Rubrizierung: 2.25.425.462.3142.3152.3312.36 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Michael Thomas / Ulrich Busch (Hrsg.): Transformation im 21. Jahrhundert. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40029-transformation-im-21-jahrhundert_47448, veröffentlicht am 25.08.2016. Buch-Nr.: 47448 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken