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Ulrich Mählert (Hrsg.)

Die DDR als Chance. Neue Perspektiven auf ein altes Thema. Hrsg. im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Berlin: Metropol Verlag 2016; 220 S.; 16,- €; ISBN 978-3-86331-283-1
Der Blick fällt zunächst auf das Autorenverzeichnis und man fängt an zu suchen – aber es fehlen einige Namen, die einem spontan einfallen würden, etwa Historiker wie Ilko‑Sascha Kowalczuk, die unmittelbar mit der Materie arbeiten und lebensecht darüber schreiben können, oder Nachwuchswissenschaftler wie Emmanuel Droit, die jüngst erhellende Dissertationen vorgelegt haben. Aber statt einen frischen Blick auf den Forschungsstand zu werfen, dreht sich der Band immer wieder um das verstaubte Diktum von 2003, die DDR sei ausgeforscht. Eine herausgehobene Rolle spielt dabei der Beitrag von Dierk Hoffmann, Michael Schwarz und Hermann Wentker. „Die drei Historiker des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin waren von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED‑Diktatur zur Jahreswende 2014/2015 dafür gewonnen worden, eine solche fachlich‑subjektive Bilanz der DDR‑Forschung zu ziehen“ (19), wie Ulrich Mählert einleitend erläutert. Die anderen Autoren des Bandes antworten mehr oder weniger auf deren Beitrag und dabei allerdings oft genug so kurz, dass die Überlegungen an der Oberfläche bleiben. Nicht alle Thesen erscheinen zudem schlüssig, so wie die Annahme von Bernd Faulenbach, dass die Frage der Vergleichbarkeit der DDR mit dem NS‑Regime weiterhin eine Rolle spielen werde – ein Blick in die Literatur seit 2003 legt eigentlich das Gegenteil nahe, die jüngeren Forscher_innen scheinen weniger an ideologie‑induzierten Debatten interessiert, sondern erklären die DDR über Zeitzeugenberichte und Akten, soweit diese belastbar Zeugnis ablegen. Erfrischend ist daher der Beitrag von Mary Fulbrook, die mit dem Text von Hoffmann, Schwarz und Wentker fulminant abrechnet und zudem als eigentlichen blinden Fleck der DDR‑Forschung die Bedeutung der NS‑Vergangenheit für die DDR‑Geschichte ausmacht (von Vergleichbarkeit ist hier keine Rede). Stefan Troebst macht innovative Vorschläge dazu, die DDR stärker vergleichend als Teil Osteuropas zu erforschen. Wie andere zeigt sich Thomas Großbölting über die titelgebende Aussage eher irritiert, kritisiert die Konzentration von (nicht nur) Hoffmann, Schwarz und Wentker auf die deutschsprachige Forschung und plädiert dafür, statt nach dem „Was“ nach dem „Wie“ zu fragen. Dazu passt auch der Beitrag von Eckhard Jesse, der mit guten Gründen die DDR‑Forschung den Historikern etwas entwinden und stärker für politikwissenschaftliche Zugänge öffnen will. Um für Gegenwart und Zukunft profitieren zu können, schlägt Dorothee Wierling vor, mit Forschungsfragen weniger auf mehr Wissen über die DDR zu zielen, „als vielmehr auf ein besseres Verständnis der Mechanismen zwischen Individuum, Gesellschaft und Staat in der Moderne“ (213).
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Rubrizierung: 5.22.3142.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ulrich Mählert (Hrsg.): Die DDR als Chance. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40022-die-ddr-als-chance_48316, veröffentlicht am 25.08.2016. Buch-Nr.: 48316 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken