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Hildegard Matthies / Dagmar Simon / Marc Torka (Hrsg.)

Die Responsivität der Wissenschaft. Wissenschaftliches Handeln in Zeiten neuer Wissenschaftspolitik

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (Science Studies); 264 S.; 29,99 €; ISBN 978-3-8376-3298-9
In einem traditionellen Verständnis beruht die Autonomie des Wissenschaftssystems auf der gegenüber externen Einflüssen geschützten Orientierung an internen Standards der Erzeugung objektiven Wissens. Diese Grenzziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft hat in den zurückliegenden Jahren viel an Selbstverständlichkeit verloren, weil eine an Maximen des New Public Managements ausgerichtete Wissenschaftspolitik dezidierte Steuerungsansprüche erhebt. Die Mitglieder der Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin fragen auf der Basis von Fallstudien nach dem institutionellen Wandel von Wissenschaft angesichts der an sie herangetragenen Kontroll‑, Nützlichkeits‑ und Wettbewerbserwartungen. Konzeptionell wollen sich die Beitragsautor_innen nicht vorab auf spezifische gesellschaftstheoretische Prämissen – etwa der einer zunehmenden Ökonomisierung des Wissenschaftssystems – festlegen und postulieren ein offenes Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Methodologisch soll die Leitfrage auf der Handlungsebene von Wissenschaftler_innen – also bezogen auf Rollen, Motive und Selbstkonzepte – untersucht werden. Die präsentierten Fallstudien sind systematisch klug ausgewählt und behandeln vier zentrale Schnittstellen: Bewertung von Wissenschaft im Kontext einschlägiger Evaluierungen (Silke Gülker), Veränderungen von universitären Leitungs‑ und Organisationsstrukturen (Tim Flink/ Dagmar Simon), Formen und Folgen einer expliziteren wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen (Alexander Wentland/Andreas Knie), Orientierungsmuster wissenschaftlicher Karrieren (Hildegard Matthies). Allen Fallstudien liegt ein Interpretationsrahmen zugrunde, der die Interaktionen zwischen Wissenschaft und gesellschaftlichen Erwartungen in Gestalt von Wissenschaftspolitik als responsive Beziehung analysiert. Dieses Untersuchungskonzept, das Marc Torka einleitend unter Rückgriff auf das phänomenologische Responsivitätsmodell von Waldenfels begründet, typisiert das Antwortverhalten von Wissenschaftler_innen in Handlungsfeldern, die mit wissenschaftspolitischen Neuordnungen konfrontiert sind. Responsivität wird dabei nicht als normatives Gütemaß verstanden, sondern als offener Raum von Handlungsmöglichkeiten, der nur empirisch rekonstruiert werden kann. Mit Blick auf die zu untersuchende Transformation der institutionellen Struktur von Wissenschaft schlägt Torka drei Responsivitätstypen vor: „Bewahrung“, „Hybridisierung“, „Neuausrichtung“ (43 ff.) – ein zweifellos anregendes Analysekonzept, bei dem jedoch offen bleibt, ob es aufgrund seiner betont formellen Auslegung von Responsivität nicht zu sehr inhaltliche (auch gesellschaftstheoretische) Aspekte ausblendet. Einwände und Fragen zur Reichweite des Ansatzes diskutiert David Kaldewey in einem abschließenden Kommentar.
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Rubrizierung: 2.3435.2 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Hildegard Matthies / Dagmar Simon / Marc Torka (Hrsg.): Die Responsivität der Wissenschaft. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40110-die-responsivitaet-der-wissenschaft_48372, veröffentlicht am 13.10.2016. Buch-Nr.: 48372 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken