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Janna Teltemann

Ungleichheit als System? Der Schulerfolg von Migranten im internationalen Vergleich

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Staatlichkeit im Wandel 26); 418 S.; 49,- €; ISBN 978-3-593-50492-6
Auch auf Basis dieser empirisch außerordentlich breit angelegten Studie, die sich mit Bildungsleistungen von Migranten im internationalen Vergleich befasst, muss die Titelfrage bejaht werden. Wie schon viele andere Untersuchungen konstatieren, sind ethnische Benachteiligungen ein strukturelles Element von Bildungssystemen moderner Gesellschaften. Während jedoch in der Literatur derartige Effekte vielfach mit Blick auf die Individualebene – also Motivationen, Einstellungen und Kompetenzen von Migranten – begründet werden, liegt die wesentliche Leistung der Arbeit von Janna Teltemann in der differenzierten Analyse von Zusammenhängen zwischen ethnischer Bildungsungleichheit und institutionellen Merkmalen der Aufnahmeländer. Dabei verfolgt sie ebenso ein empirisches wie ein theoretisch‑konzeptionelles Ziel. In empirischer Hinsicht geht es ihr um eine Erklärung der im internationalen Vergleich zum Teil deutlichen Leistungsunterschiede von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund. Im Anschluss an Theorien zum Integrationsverlauf von Zuwanderern, die die Bedeutung von Schichtmerkmalen eher relativieren, zieht sie drei Institutionenkomplexe von Aufnahmeländern als wesentliche Untersuchungsdimensionen heran: Bildungssysteme, wohlfahrtsstaatliche Arrangements, Einwanderungs‑ und Integrationsregime. Nicht allein mit Blick auf die entwickelten bereichsspezifischen Hypothesen, sondern auch hinsichtlich der verwendeten Datenbasis ist der Analyseanspruch ehrgeizig. Basis des internationalen Vergleichs ist die 2009er‑Welle der PISA‑Studie, an der sich 75 Länder beteiligt haben; diese kompetenzbezogenen Daten ergänzend werden etliche Datensätze berücksichtigt, die Indikatoren der anderen Politikbereiche abbilden (unter anderem Worldbank, ILO, Migrant Integration Policy Index, World Population Policies). Eine besondere Stärke der Studie ist die gründliche Diskussion der verwendeten Operationalisierung und Analyseverfahren. In theoretisch‑konzeptioneller Hinsicht möchte die Autorin einen Beitrag zu einer „integrierten erklärenden Theorie ethnischer Bildungsungleichheit“ (16) leisten. Hier folgt sie dem von Hartmut Esser im Rahmen des methodologischen Individualismus entwickelten Modell soziologischer Erklärung, das Makrophänomene (wie Bildungsinvestitionen unterschiedlicher Gruppen) auf das Handeln individueller Akteure zurückführt, die sich in sozialstrukturell gerahmten Situationen zwischen knappen Ressourcen entscheiden. Auch wenn es sich dabei um eine sehr spezifische handlungstheoretische Perspektive handelt, sind die von Teltemann präsentierten empirischen Befunde über die institutionellen Kontexte von Integrationsprozessen – bei denen Strukturen der Bildungssysteme die größte Bedeutung zukommt – sehr lehrreich.
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Rubrizierung: 2.2634.432.3432.35 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Janna Teltemann: Ungleichheit als System? Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40166-ungleichheit-als-system_47907, veröffentlicht am 17.11.2016. Buch-Nr.: 47907 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken