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Eva Reichwein

Kinderarmut in der Bundesrepublik Deutschland. Lebenslagen, gesellschaftliche Wahrnehmung und Sozialpolitik

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012; 408 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-18342-8
Diss. Marburg; Begutachtung: G. Hardach. – Das Thema Kinderarmut findet seit einigen Jahren in der Forschung wie in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit. In Publikationen von Wohlfahrtsverbänden, aber auch in international vergleichenden Bildungsstudien wird die Armut von Kindern in Deutschland als neues, gravierendes Problem dargestellt, das mit seinem Stellenwert hierzulande die Altersarmut abgelöst habe. In ihrer historisch-systematischen Studie setzt sich die Autorin sehr sorgfältig mit der Frage auseinander, ob diese Einschätzung empirisch wirklich zutrifft oder ob man nicht eher von verschiedenen Zyklen der öffentlichen Aufmerksamkeit für Kinderarmut sprechen müsste. Die Arbeit folgt einem sehr ambitionierten Aufbau. Zunächst versucht Reichwein – was die empirische Dimension betrifft und anders als etliche Armutsstudien – durchgehend eine „kindzentrierte Position“ (33) einzunehmen, also verfügbare Daten daraufhin zu überprüfen, ob sie sich auf Haushalte, Eltern oder Kinder beziehen. Konzeptionell verknüpft sie die Untersuchung der historisch-empirischen Entwicklung mit einer des gesellschaftlichen Diskurses und unterscheidet dabei drei große Themenbereiche, die für die Wahrnehmung von Kinderarmut relevant sind: die wissenschaftliche Behandlung, die Darstellung in der medialen Öffentlichkeit und schließlich die Art und Weise, wie Politik (auf Bundesebene) das Problem aufgreift. Diese Themenbereiche werden anhand von drei historischen Phasen analysiert: von der Gründung der Bundesrepublik bis zum Ende der ersten großen Koalition (1949-1969), vom Beginn der sozialliberalen Koalition bis zur Wiedervereinigung (1969-1990) und die Zeit nach der Wiedervereinigung (bis 2008). Im Ergebnis zeigt die Studie einerseits, dass für Deutschland im gesamten Zeitraum von einer überdurchschnittlich hohen Kinderarmutsquote ausgegangen werden muss. Andererseits wird deutlich, dass die öffentliche Aufmerksamkeit im hohen Maße von gesellschaftlichen Faktoren gesteuert wird und erst mit dem Zurückdrängen konservativer Familienpolitik der armutspolitische Blick auf das Individuum Kind fallen konnte.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.342 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Eva Reichwein: Kinderarmut in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9706-kinderarmut-in-der-bundesrepublik-deutschland_41257, veröffentlicht am 13.09.2012. Buch-Nr.: 41257 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken